„Wir haben schon als Kids Videos gedreht“

BRÜDERLICH Ein Gespräch mit den Filmemachern David und Nathan Zellner über ihre Arbeit an „Kumiko, the Treasure Hunter“ (Forum)

■ Die Brüder David und Nathan Zellner produzieren, drehen und schreiben seit Mitte der neunziger Jahre von Austin, Texas aus gemeinsam Kurz- und Spielfilme. Nebenbei sind sie in Filmen befreundeter Filmemacher wie den Duplass-Brüdern, Andrew Bujalski und James Fotopoulos (sowie ihren eigenen) zu sehen. Obwohl sie ideell der „Mumblecore“-Bewegung nahestehen, fühlen sie sich dieser Szene nicht zugehörig. Mit „Kid-Thing“ hatten sie vor zwei Jahren ihr Debüt auf der Berlinale.

INTERVIEW ANDREAS BUSCHE

Die einsame Büroangestellte Kumiko findet in einer Höhle vergraben eine VHS-Videokassette mit dem Film „Fargo“ der Coen-Brüder. Sie studiert und vermisst die Szenen, insbesondere die, in der Steve Buscemi den Geldkoffer im Schnee vergräbt, und fasst schließlich einen folgenreichen Entschluss. Ohne Englischkenntnisse und mit Firmenkreditkarte setzt sie sich in einen Flieger nach Minnesota, um den legendären Schatz aus der vermeintlichen Dokumentation zu bergen. Doch schnell strandet sie in der weiten Schneelandschaft des Mittleren Westens. Der Ort Fargo scheint zum Greifen nah und doch unerreichbar.

taz: Haben Sie einen persönlichen Bezug zu dem Film „Fargo“ von den Coen-Brüdern?

Nathan Zellner: „Kumiko“ basiert, nun ja, auf einer wahren Begebenheit.

Das war also kein Witz?

David Zellner: Ja und nein. 2001 tauchte im Internet eine Geschichte über ein Mädchen auf, das von Japan nach Minnesota gereist war, um den Geldkoffer aus dem Film „Fargo“ zu finden. Die Idee, dass ein Mensch eine so weite Reise für einen Schatz zurücklegen würde, ähnlich wie früher die Konquistadoren, hat uns beide fasziniert. Also begannen wir nach und nach, die Lücken dieser Geschichte für unsere eigene Version auszufüllen. Die Nachricht entwickelte eine Eigendynamik, sie wurde in Usergroups weitergesponnen, genauso wie eine „Urban Legend“, eine moderne Volkssage. Wir konnten also in Echtzeit verfolgen, wie sich die Überlieferung der Geschichte veränderte.

Das Märchenmotiv mit dem roten Mantel war also eine bewusste Entscheidung?

DZ: Das wurde uns erst sehr viel später klar. Während der Dreharbeiten war der rote Mantel vor allem eine ästhetische Entscheidung, weil sich Kumiko von der weißen Landschaft farblich abheben sollte. Es sollte ihre Verlorenheit betonen.

„Fargo“ war einer der ersten amerikanischen Independentfilme, die einen Provinzialismus thematisierten. Dass Sie nun eine Hommage an „Fargo“ drehen, finde ich interessant, weil im US-Independentkino gerade starke regionale Bezüge zu erkennen sind. Kelly Reichardt dreht in Oregon, Matthew Porterfield in Baltimore, Sie beide in Texas. Diese Filme zeigen Milieus und Regionen, die im amerikanischen Kino lange nicht vorkamen. Besteht da ein Zusammenhang?

DZ: Als Filmemacher habe ich darüber noch nicht nachgedacht. Aber es stimmt, dass sich in den letzten Jahren außerhalb von Los Angeles und außerhalb von New York starke Film-Communitys entwickelt haben. Das hat sicher auch damit zu tun, dass die Technik heute leichter verfügbar ist.

Mich interessiert daran, wie die Filmemacher jeweils die soziale Topografie ihrer Städte und Regionen erkunden. Mit welchem Blick nähern Sie sich der „Mentalität“ oder den geografischen Besonderheiten einer Gegend wie Minnesota an?

DZ: Im Falle von „Kumiko“ war der thematische Ansatz vorgegeben: der augenscheinliche Gegensatz zwischen der städtischen Landschaft Tokios und der offenen Wildnis von Minnesota, die auch für ganz gegensätzliche Formen von Einsamkeit stehen. Aber wir haben natürlich in beiden Ländern mit heimischen Crews gearbeitet, die die Lokalitäten viel besser kennen und verstehen als wir. Vor Drehbeginn hatten wir noch keine klare Vorstellung davon, wie wir „Kumiko“ drehen würden. Wir waren zum ersten Mal in Minnesota und wollten möglichst offen für das sein, was uns im tiefsten Winter vor Ort erwartet. Es gab stilistische Vorgaben im Skript, aber die sollten auf einem Naturalismus fundieren, den die Locations selbst hervorbringen.

NZ: Die Landschaften um Fargo und Austin ähneln sich sehr, abgesehen von den vielen Seen und dem Schnee in Minnesota. Es gibt ein urbanes Zentrum und drumherum erstreckt sich eine Einöde. Wir waren mit der Landschaft also relativ vertraut.

Sie haben mit Rinko Kikuchi eine Hauptdarstellerin gefunden, die inzwischen auch in Blockbusterfilmen wie „Pacific Rim oder „47 Ronin“ zu sehen war. Ändert sich für Sie damit irgendetwas?

DZ: Ich denke, der Erfolg, der sich so langsam einstellt, hat viel mit unserem Durchhaltevermögen zu tun. Ich würde „Kid-Thing“, unseren letzten Film, nicht unbedingt als Durchbruch bezeichnen. Wir haben seit 2002 zwischendurch immer wieder an „Kumiko“ gearbeitet. Es ist ein aufwendiger Film: zweisprachig, die Dreharbeiten sind über zwei Kontinente verteilt und die Geschichte ist jahreszeitenbedingt. Rinko war für Kumiko genau die richtige Wahl. Wir mochten ihre Entscheidungen als Schauspielerin, sowohl was ihre Charaktere als auch die Filme angeht, in denen sie zuvor zu sehen war. Dass sie jetzt dabei ist, wird es uns hoffentlich ermöglichen, zukünftig in anderen Größenordnungen zu arbeiten und dabei trotzdem unsere Integrität als Filmemacher zu bewahren. Wir mögen diese Mischung aus Laien und professionellen Schauspielern, so entsteht am Set eine interessante Energie.

Improvisieren Sie viel beim Dreh?

Unsere Drehbücher sind eigentlich sehr genau ausgearbeitet, bis hin zu den Kamerafahrten. Aber wir versuchen natürlich, auf die Dynamik am Set einzugehen.

Sie arbeiten im Tandem. Wie kann man sich Ihre Zusammenarbeit vorstellen?

DZ: Ich kümmere mich mehr um die Skripts, Nathan ist eher für die Produktion und den Schnitt verantwortlich. Aber eigentlich sind wir beide von Beginn an in alle Aspekte des Films involviert. Da wir schon so lange zusammenarbeiten, haben wir ein ähnliches Gespür für Details. Nathan und ich haben schon als Kids Homemovies auf Video gedreht.

NZ: Wir haben darum auch nie den Unterschied zwischen Regisseur, Kameramann und Cutter verstanden. Die Arbeitsteilung zwischen uns verlief immer organisch. Wir sind fokussiert auf unsere Arbeit und weniger auf die Rollenverteilung.

DZ: Das Schöne an Kindern ist, dass sie ihren Platz noch nicht kennen. Wenn man sich diese Eigenschaft bewahrt, bleibt man offen für Experimente.

■ Heute, Delphi Filmpalast, 16.30 Uhr