Auf dem Weg zur Normalität

Der Beginenhof ist in Aufruhr: Der Insolvenzverwalter des Frauenwohnprojekts will jetzt offiziell auch an Männer verkaufen und vermieten. Einer hat sich jetzt schon eingenistet, ganz klammheimlich

von Jan Zier

Im Zentrum des Beginenhofes herrscht gähnende Leere. Der Sandkasten auf dem kleinen Spielplatz sieht aus, als hätte er lange kein Kind gesehen, die kleine Kletterwand ebenso. Auch die Pizzeria am anderen Ende des Platzes macht mittags ein eher schlechtes Geschäft. Doch die Ruhe trügt. Die Bewohnerinnen des Beginenhofs sind „aufgescheucht“, wie es eine ältere Dame formuliert. In Aufruhr gebracht hat sie ein Schreiben des Insolvenzverwalters Detlef Stürmann. Die noch zu verkaufenden oder zu vermietenden Wohnungen, so ist darin zu lesen, stehen von nun an allen Menschen offen – also auch Männern. Heute treffen sich die Bewohnerinnen, um über ihr weiteres Vorgehen und mögliche Protestaktionen zu beraten.

Rund 60 der 85 Wohnungen gilt es zu vermarkten, rund ein Drittel davon steht momentan leer. „Es hat nie genügend Interessentinnen gegeben“, sagt Stürmann, wohl aber Nachfragen von Paaren, Familien – und Männern. Stürmann hat die Immobilie schon seit fünf Jahren in seiner Obhut, damals musste das Frauenwohnprojekt am Kirchweg Insolvenz anmelden.

Schon während der Bauzeit wies das Projekt eine Finanzierungslücke von 5,6 Millionen Mark aus. Der Wirtschaftssenator, so stellte es Initiatorin Erika Riemer-Noltenius dar, habe dem Beginenhof einst 7,5 Millionen Mark versprochen, dann aber kein Geld überwiesen.

Noch hat kein Mann einen Kaufvertrag unterschrieben, versichert die Gewoba, die den Gebäudekomplex in der Neustadt derzeit verwaltet. Einer hat es dennoch geschafft, der Damm ist gebrochen. „Da oben“, sagt eine Frau und zeigt mit dem Finger auf eine der Wohnungen, Hausnummer 3. Dort ist in einer Wohngemeinschaft schon jetzt ein Mann mit eingezogen, der erste seiner Art hier auf dem Beginenhof. Weitere könnten bald folgen.

„Mehr als bedauerlich“ findet das Ulrike Kleinert, „denn jetzt wird der Beginenhof eine ganz normale Wohnanlage“. Das könne das „Ende der bisherigen Möglichkeiten“ sein, befürchtet sie. „Das stört mich sehr“. Die „Klammer“, die das Projekt bis jetzt zusammen hielt, sei kaputt.

Vor einem Jahre ist die Autorin hier eingezogen, in eine Drei-Zimmer-Wohnung, Tür an Tür mit ihrer Tochter. Rund 60 Quadratmeter bewohnt Ulrike Kleinert, knapp 1.400 Euro hat sie der Quadratmeter gekostet. Zwar wollte die 50-Jährige nicht unbedingt in ein reines Frauenwohnprojekt ziehen. Trotzdem stört sie die Art und Weise, wie der erste Mann hier in der Anlage Einzug hielt. „Hintenrum“ sei das von Statten gegangen, ohne dass dem ein offener Beschluss der übrigen Bewohnerinnen voraus gegangen wäre. „Das ist nicht in Ordnung.“

Doch Detlef Stürmann sagt, ihn bleibe keine andere Wahl mehr, als den Beginenhof auch den Männern zu öffnen. Lange habe er gehofft, er könne dem Konzept der Beginen auch nach der Insolvenz entsprechen. „Doch das hat nicht in dem Umfang funktioniert, wir wir uns das vorgestellt haben.“

Das „irgendwas“ passieren muss, ist auch den derzeitigen BewohnerInnen klar. Dennoch hoffen sie, wenigstens ein bisschen was von dem ursprünglichen Charakter erhalten zu können. „Die Frauen“, sagt eine Bewohnerin, „sollten hier wenigstens bevorzugt werden.“