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Archiv-Artikel

Wohlfahrtsverband legt eigenes Hartz-IV-Konzept vor

REGELLEISTUNGEN Kritik an Ausgestaltung der vom Arbeitsministerium geplanten Bildungschipkarte

Der Paritätische will mehr Möglichkeiten für „einmalige Leistungen“ in Hartz IV

BERLIN taz | Mit deutlicher Kritik hat der Paritätische Wohlfahrtsverband auf die vom Bundesarbeitsministerium (BMAS) geplante Bildungschipkarte für bedürftige Kinder reagiert und ein eigenes, umfassendes Konzept zur Neugestaltung der Hartz-IV-Regelsätze vorgelegt.

„Es macht keinen Sinn, auf Bundesebene Chipkarten für Leistungen auszustellen, wenn vor Ort nichts ist, wo man sie einlösen kann“, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen. Schneider verwies darauf, dass allein zwischen 2002 und 2006 28 Prozent aller Stellen in der Jugendarbeit und über 50 Prozent aller Stellen in der Jugendkulturarbeit gestrichen worden seien. Im gleichen Zeitraum hätten 22 Prozent aller kulturpädagogischen Einrichtungen ihre Türen geschlossen. Angesichts dieser Zahlen müsse erst einmal sichergestellt werden, dass Kinder und Jugendliche „überhaupt die notwendigen Förderangebote vorfinden“, betonte Schneider.

Die zweite Kritik des Paritätischen zielt auf die Zuständigkeit für die Bildungschipkarte. Nach den Plänen des BMAS sollen künftig Jobcentermitarbeiter herausfinden und entscheiden, was Kindern in Familien, die Hartz IV bekommen, an Nachhilfe-, Bildungs- und kulturellen Freizeitangeboten fehlt. Dafür müssen sie sich mit Schule und Kommune koordinieren. Schneider sieht darin den Aufbau von „überflüssigen Parallelstrukturen“. Er forderte, stattdessen den bereits existierenden, „kompetenten Trägern“ der Jugendhilfe in den Kommunen diese Aufgabe zu übertragen und die Träger zu stärken.

Für sogenannte Förderleistungen Chipkarten einzusetzen, lehnt der Paritätische aber nicht grundsätzlich ab. Die Karten sind für ihn aber Teil eines umfassenden Konzepts zur Neugestaltung der Hartz-IV-Sätze. Danach sollte der Regelsatz in Zukunft nur Ausgaben für den täglichen Bedarf wie Ernährung, Kleidung oder Spielzug umfassen. Die Anschaffung eines Kinderfahrrads oder von Schulbüchern, die Kosten für die Einschulung, Klassenfahrten oder einen Taschenrechner sollten die Ämter künftig als „einmalige Leistung“ gewähren. „Mehr Verwaltungsaufwand als bisher, wo die Ämter 1,1 Millionen Darlehen an Hartz-IV-Bezieher verwalten und sich mit unzähligen Klagen konfrontiert sehen, gäbe es dadurch auch nicht“, betonte Schneider. Dem Konzept des Paritätischen haben sich bereits 20 große Organisationen, darunter SOS Kinderdörfer, das Deutsche Kinderhilfswerk oder Pro Familia, angeschlossen. EVA VÖLPEL