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Archiv-Artikel

Geheimfavorit lacht sich tot

Öfter mal auf den Spielerberater hören: Wuppertal schlägt St. Pauli mit 3:1 – auch dank einfacher, aber zielführender Ratschläge aus dem Vereinsumfeld. Trainer Fuchs tanzt und gestattet Träumereien

„Mein Berater sagt immer: Vor dem Tor nicht denken, sondern schießen“

AUS WUPPERTALTHOMAS BESCHE

Mit der Vokabel „Geheimfavorit“ kann Achim Weber herzlich wenig anfangen. Gerade eben hatte der Wuppertaler SV Borussia mit dem 3:1-Heimerfolg gegen den FC St. Pauli einen Bilderbuchstart in die neue Regionalligasaison hingelegt, als der neue sportliche Leiter des WSV bewusst den Ball flach hielt. „Geheimfavorit? Das ist doch alles Kokolores“, sagte der ehemalige Bundesligaprofi. In einer Umfrage vor dem Saisonstart hatten nur zwei Regionalligatrainer die Wuppertaler zu den Aufstiegskandidaten gezählt – der DFB-Pokalschreck St. Pauli tauchte hingegen bei allen Drittligatrainern auf der Favoritenliste auf. „Und jetzt schlagen wir die. Da lach ich mich tot“, sagte Weber. Der Wuppertaler SV wolle oben mitspielen, dabei bleibe es, gab der sportliche Leiter zu Protokoll.

Diese Zielvorgabe könnte nach dem sehr ansehnlichen Spiel vom Samstag realistisch sein. Vergraulte der Verein seine gelangweilten Fans in der vergangenen Saison mit seiner unansehnlichen Spielweise und einem Dauerplatz im Niemandsland der Tabelle, so wächst nun wieder die Hoffnung im Bergischen Land. Gegen St. Pauli kamen immerhin knapp 9.000 Zuschauer (davon mindestens 2.000 Anhänger der Gäste) ins Stadion am Zoo. Nach einem Jahr des Umbruchs, in dem Trainer Uwe Fuchs auch aus finanziellen Gründen vielen jungen Spielern vertraute, ist die Ausrichtung nun mutiger und offensiver. „Oben mitspielen“ – mit dieser Ansage können sich auch die oft mehr als kritischen WSV-Fans anfreunden.

Nach einer ordentlichen Vorbereitungsphase mit den neuverpflichteten Spielern Mike Rietpietsch (früher VfL Bochum, Rot-Weiß Oberhausen und fast alle anderen Westvereine), Martin Osislo (Wacker Burghausen) oder Manuel Bolster (Darmstadt 98) muss der Sieg gegen den selbst ernannten Zweitligakandidaten aus Hamburg dennoch als kleine Überraschung bewertet werden.

Schon nach fünf Minuten gelang WSV-Angreifer Dirk Heinzmann das 1:0. Ein abgefälschter Ball von Paulispieler Carsten Rothenbach fiel dem eigentlich abseits stehenden Wuppertaler Mittelstürmer vor die Füße. St. Pauli war zwar danach die aktivere, aber nicht unbedingt gefährlichere Mannschaft. Die Kiezkicker spielten viele „hohe“ Bälle auf Felix Luz, den Star der vergangenen Saison. In der 86. Minute traf dann aber der frühere Hamburger Rocky Siberie zum 2:0 für den WSV. „Der hat bei uns keinen Möbelwagen getroffen“, stöhnte ein mitgereister Hamburger Journalist. Gegen seinen alten Verein nahm der Mann mit der Ben-Johnson-Gedächtnisfigur aus zwölf Metern Maß und St. Pauli war erledigt. „Ich habe das umgesetzt, was mir mein Berater immer sagt: Vor dem Tor nicht denken, sondern schießen“, sagte der Holländer. Hamburgs Trainer Andreas Bergmann kommentierte das 2:0 so: „Der bekommt den Ball mehr oder weniger hingelegt, schießt und das Ding ist drin. Fußball ist bekloppt.“ Michael Lejans 3:0 und Thomas Meggles Ehrentreffer per Elfmeter gingen dann schon fast im euphorischen Jubel der Heimfans unter.

„Die Fans dürfen feiern und träumen, ich bleibe auf dem Boden“, sagte WSV-Coach Uwe Fuchs nach Spielende. Viel Bodenhaftung hatte der Ex-Profi allerdings während der 90 Minuten nicht. Trotz einer Hüftoperation vor einigen Monaten hüpfte Fuchs an der Seitenlinie herum, als sei er immer noch ein aktiver Spieler. Am Mittwoch spielt der Wuppertaler SV Borussia erneut gegen Hamburg – diesmal auswärts gegen die HSV-Amateure. Sollte dabei erneut ein Sieg herausspringen, muss man sich auf weitere Ausflipper an der Seitenlinie gefasst machen. Nur der sportliche Leiter Achim Weber wird den Ball an der Wupper wohl weiter flach halten und „Kokolores“ sagen.