: Kämpfe im Schiitenviertel in Bagdad
Bei einer Razzia in Sadr City kommt es zu einem bewaffneten Zusammenstoß zwischen amerikanischen Truppen und der Mahdi-Armee. Dieser Miliz werden unzählige Entführungen, Morde und Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt
AUS ERBIL INGA ROGG
Bei einer Razzia irakischer und amerikanischer Truppen im Bagdader Stadtteil Medinat al-Sadr ist es in der Nacht auf Montag zu einem heftigen Feuergefecht gekommen. Zwei schiitische Milizionäre seien in dem Gefecht getötet worden, sagte ein Sprecher des irakischen Verteidigungsministeriums. Zudem hätten zwei irakische Soldaten Verletzungen erlitten. Nach Angaben des lokalen Spitals handelte es sich bei den Toten jedoch um Zivilpersonen. Demnach wurden drei Personen, unter ihnen eine Frau und ein dreijähriges Mädchen, getötet und 18 Personen verletzt.
Die nächtliche Razzia habe sich gegen Mitglieder einer „Bestrafungs- und Folterzelle“ gerichtet, teilten die amerikanischen Streitkräfte mit. Dabei seien die Einheiten unter Feuer geraten, ein amerikanischer Soldat wurde verletzt. Deutlicher wurde der Sprecher des Verteidigungsministers. Das Ziel sei die Festnahme von mehreren Milizionären der Mahdi-Armee des radikalen schiitischen Predigers Moktada al-Sadr gewesen, sagte er. Anwohner berichteten von lauten Explosionen und schwerem Gewehrfeuer. Nachdem Anrufer die Milizionäre zur Einstellung ihrer Angriffe aufgefordert hätten, seien die Kampfhandlungen nach gut einer Stunde wieder abgeebbt, sagte der örtliche Polizeichef.
Der Mahdi-Armee werden in Bagdad unzählige Entführungen, Morde und Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt. Trotz der gegenteiligen Rhetorik von Sadr selbst gilt es ausgemacht, dass Sadr-Milizionäre für einen Großteil der Gewalttaten gegen sunnitische Araber verantwortlich sind. Nicht nur Sunniten werfen den Milizionären vor, geheime Folterkeller zu unterhalten. Obwohl die Mahdi-Armee nicht die einzige schiitische Miliz im Irak ist, hat ihr Unwesen den schwelenden Konflikt zwischen den Sunniten und Schiiten im Land verschärft.
Mittlerweile hat selbst General John Abizaid, Oberkommandierender der amerikanischen Streitkräfte im Nahen und Mittleren Osten, vor der Gefahr eines drohenden Bürgerkriegs gewarnt. Aus Sicht der Amerikaner wie vieler irakischer Politiker konzentriert sich der Kampf zwischen Schiiten und Sunniten derzeit auf die Hauptstadt. Um den vollen Ausbruch eines Kriegs zu verhindern, haben die Amerikaner am Sonntag mit der Verlegung weiter Truppen in die Hauptstadt begonnen. Der Kampf gegen das Milizenunwesen wird eine ihrer Hauptaufgaben sein.
Dabei sehen sie sich freilich im Fall der Mahdi-Armee mit einer Miliz konfrontiert, die laut Sadr gar keine „Armee“ sein will. Ähnlich wie die Hisbollah im Libanon wechseln ihre Kämpfer nach Belieben zwischen der Rolle eines Normalbürgers und der eines bewaffneten Kämpfers. Der ehemalige britische Botschafter im Irak hat deshalb vor einer „Hisbollahisierung“ der Mahdi-Armee gewarnt. Sie einzudämmen, müsse eine der vorrangigen Aufgaben sein. Doch Sadr ist – wie alle bewaffneten Gruppen – auch in der Regierung wie im Parlament vertreten.