: Mit neuem Mittelfeld gegen das Mittelmaß
Die Bundesliga vor dem Start (8): Der VfB Stuttgart hat mit viel Aufwand der Mannschaft ein neues Gesicht verpasst und orientiert sich nach oben
Was bleibt von der WM? Jede Menge Spieler, die mit gewachsenem Selbstvertrauen von der WM zurückkamen und nun irgendwie im Team integriert werden müssen. Von „einem unglaublichen Erlebnis“ schwärmt etwa Thomas Hitzlsperger stets – jetzt soll es für den bis dato in Stuttgart verhinderten „Mister Hammer“ auch endlich beim VfB klappen. Doch für seine Position im linken Mittelfeld wurde gerade Antonio da Silva aus Mainz geholt. Bei Klinsmann musste Hitzlsperger als linker Verteidiger ran und so versucht VfB-Coach Armin Veh ihn jetzt auch zum Abwehrspieler umzufunktionieren. Blöd nur, dass ausgerechnet da der Schweizer WM-Fahrer Ludovic Magnin auf seinem Platz beharrt, der in der „Nati“ gesetzt ist, beim VfB jedoch ebenso wie sein Landsmann Marco Streller bis jetzt enttäuschte.
Wer sind die Stars? Fernando Meira ist nun endgültig zum VfB-Star aufgestiegen – der portugiesische WM-Vierte ist der frisch bestallte Kapitän. Mit großer Spannung werden auch die beiden Neuen aus Mexiko beäugt – der in seiner Heimat hochverehrte Pavel Pardo (1 Million Ablöse) hat auch in Stuttgart mit seinen 131 Länderspieleinsätzen als Soldo-Nachfolger vor der Abwehr Starqualitäten. Genauso wie sein schneller Landsmann Ricardo Osorio (4 Millionen) auf der rechten Verteidigerposition. Im Stuttgarter Stadtmagazin Lift wurden neben der VfB-Saisonvorschau schon einmal die besten Tex-Mex-Adressen der Stadt aufgelistet.
Was macht der Trainer? Er windet sich. Veh will nicht recht mit einem Saisonziel herausrausrücken – mit dem Verweis auf die personelle Umbruchsituation versucht er, den Erwartungsdruck zu mindern. Im Februar durfte der Fast-Bundesliga-Novize das zweifelhafte Erbe von Mister Trapattoni antreten. Offensives und geschmeidiges Kurzpassspiel war sein Antrittsversprechen, dass er bis dato noch nicht eingelöst hat. Dafür wurde unter Veh oft auch noch die dritte Halbzeit, der Analysenachklapp, langweilig. Da war sein Vorgänger einfach origineller. Bis jetzt hatte er – trotz der verkorksten Vorsaison – Schonfrist. Die endet nun, nachdem er den Kader zusammengestellt hat und die komplette Vorbereitung nach seinen Vorstellungen bestreiten konnte. Schnell Konturen gewinnen und Erfolge einheimsen kann so nur seine Devise heißen – immerhin ist auch sein Vertrag an das Erreichen des Uefa-Cup-Ranges gekoppelt.
Wie sieht die Taktik aus? Veh propagiert stets eine 4-4-2 in Rauteformation. „Das entspricht genau meiner Fußball-Philosophie“, sagt Neuzugang Alexander Farnerud, der für die vakante Position hinter den Spitzen als Nachfolger von Alexander Hleb und Krassimir Balakov aus Straßburg geholt wurde. Im Spielaufbau krankte es zuletzt – mit dem Schweden Farnerud, Da Silva, Pardo und der Fürther Nachwuchshoffnung Roberto Hilbert hat der VfB nun nachgerüstet. Nun könnte es im Sturm hapern – im Angriff fehlt der in die Reserve abgeschobene Danijel Ljuboja. Und Tomasson leidet immer noch unter chronischen Ladehemmung im VfB-Trikot. Plan B sieht Meira vor der Viererkette mit Pardo in der „flachen Vier“ vor, ohne zentralen offensiven Mittelfeldspieler.
Sind die Fans glücklich? Überraschend glücklich. In der Vorsaison haben sich die Fans in der Cannstatter Kurve bereits auf den Vorstand um Präsidenten Erwin Staudt eingeschossen, bei der Saisoneröffnungsparty am Sonntag strömten rund 30.000 Anhänger auf den Wasen. Auch vom Dauerkartenverkauf werden Höchstmarken vermeldet.
Die Prognose: Platz fünf. Seit dem Champions-League-Coup unter Felix Magath 2003 ging’s stetig bergab – auch weil die Anspruchshaltung etwas realitätsfern in die Höhe schnellte. „Unser Anspruch kann hier nicht Mittelmaß sein“, formuliert Präsi Staudt stets tapfer. Die Umfeldstrukturbedingungen geben in Stuttgart tatsächlich mehr her – die Hausaufgaben scheinen nun gemacht, um den Abwärtstrend endlich stoppen zu können.
Der X-Faktor: Der Überraschungseffekt. Nicht unbedingt wegen der Verschleierungstaktik der Verantwortlichen hat den VfB niemand so recht auf dem Schirm, eher wegen der biederen Hausmannskost der letzten Jahre. Mit etwas Mut könnte sich der nette Herr Veh als Bundesligacoach jetzt etablieren.
KLAUS TEICHMANN