„40 Unternehmer machen nicht die Wirtschaft aus“

MITTELSTAND Von längeren Atomlaufzeiten profitieren nur die großen Energiekonzerne, sagt Heag-Chef Albert Filbert

■ 57, ist Vorstandschef der Heag Südhessische Energie AG, die mehrheitlich in kommunaler Hand ist. Die Tochter Entega gehört zu den großen Ökostromanbietern.

taz: Herr Filbert, handelt die Bundesregierung wirtschaftsfeindlich, wenn sie sich gegen Kohlekraftwerke und längere Atomlaufzeiten entscheidet?

Albert Filbert: Nein, Gutachten von zahlreichen wissenschaftlichen Instituten belegen, dass wir bis 2020 keine Stromlücke haben, auch wenn es beim Atomausstieg bleibt. Die Kernreaktoren haben auch auf den Strompreis keinen entscheidenden Einfluss. Bei der Anzeigenkampagne geht es darum, die Interessen der großen Energiekonzerne zu sichern.

In dem energiepolitischen Appell heißt es aber, eine Brennelementesteuer oder eine höhere Ökosteuer verhindere dringend notwendige Investitionen im Energiesektor.

Wenn die vier großen Energiekonzerne mehr Geld verdienen, weil die Reaktoren weiterlaufen, die Zusatzgewinne aber nicht besteuert werden, dann können sie in erneuerbare Energien investieren. Diesen Vorteil haben kleinere, kommunale Energieversorger nicht. Das bedeutet, dass auf dem Markt ungleiche Ausgangsbedingungen herrschen.

Aber für den Ausbau der regenerativen Energien wäre es doch gut, wenn möglichst viel investiert wird.

Die großen Kraftwerksbetreiber werden die umweltfreundlicher Energie nur begrenzt ausbauen, denn damit gefährden sie die Wirtschaftlichkeit ihrer fossilen Kraftwerke. Grüner Strom muss schließlich vorrangig ins Netz eingespeist werden. Dann kann der Kohle- und Atomstrom nicht mehr verkauft werden.

Wenn hinter dem Appell bloß die Interessen der großen Energiekonzerne stehen, warum haben dann so viele führende Manager solch einen Aufruf unterzeichnet?

Die Stromkonzerne haben ein großes politisches Gewicht, auch in den Verbänden. Vierzig Unternehmer und Prominente machen aber noch nicht die deutsche Wirtschaft aus. Der Mittelstand tut sich schwer, eine Lobby zu bilden.

Profitieren deutsche Firmen von neuen Kohlekraftwerken und längeren AKW-Laufzeiten?

Dadurch wird die Marktmacht der Großen zementiert. Das bedeutet weniger Wettbewerb, und das ist immer schlecht für die Kunden – also auch für die Wirtschaft, die den Strom bezahlen muss. Außerdem zahlt der Steuerzahler für die Atomkraft. Die Endlagerkosten müssen letztlich von der ganzen Gesellschaft bezahlt werden. INTERVIEW: FELIX WERDERMANN