Ganz schön viel Boy meets Boy

BERLINALE Beim queeren Teddy-Award-Wettbewerb dominieren Filme über Schwule – von Lesben handeln keine. Der Filmpreis ist vor allem wichtig, wenn er nicht nur die Situation für hiesige Homosexuelle beleuchtet

Der Teddy Award durchbricht die schwule Berlin-Kuschelatmosphäre mit politischen Inhalten

VON MALTE GÖBEL

Größter queerer Filmpreis der Welt, aber immer noch zu piefig, selbstbezogen, subkulturell – das waren Vorwürfe der vergangenen Jahre an den Teddy, den lesbisch-schwul-trans-inter-queeren Filmpreis der Berlinale. Der reagierte zumindest räumlich. Die Komische Oper lieferte das passende Ambiente für eine glamouröse Filmgala, hinterher konnte man per Shuttle-Bus zur Party ins Schwuz – wo man das Ganze gleich hätte stattfinden lassen können, aber das wäre dann noch subkultureller gewesen, noch mehr Neukölln und damit noch weniger sichtbar.

Wobei man über die Sichtbarkeit weiterhin streiten könnte. Klar, die Komische Oper ist Unter den Linden, mit der iranisch-französischen Filmemacherin Mitra Farahani war ein Mitglied der Berlinale-Jury da, und auch Big Names aus der Politik waren gekommen, der Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoe, sein Hamburger Exkollege Ole von Beust und natürlich Klaus Wowereit. Ansonsten: Berliner Szene-Prominenz und queere Filmschaffende. Klar, für die ist ja diese Veranstaltung, aber wenn man dann bedenkt, dass Farahani 2002 den Teddy bekam (für ihren Kurz-Dokumentarfilm „Just une Femme“) und besagte (Ex-)Bürgermeister schwul sind, muss man konstatieren: Da geht mehr.

Besonders auch, was Filme von, mit, über Frauen angeht. Insgesamt 30 Filme gingen ins Rennen um den Teddy, die Berlinale hat also einen deutlichen queeren Anteil! Zu verdanken ist das auch dem Panorama-Chef Wieland Speck, der sich im Laufe der Veranstaltung zu seiner Jugend als schrille Tunte bekannte. Nur: Fast alle der Filme handeln von Schwulen. Es gab ein paar Beiträge mit Trans-Thematik, aber Lesben? Fehlanzeige. Natürlich kann der Teddy nur die Filme bewerten, die auch auf der Berlinale laufen – insofern ist das vor allem für diese peinlich. „Frauen, macht mehr Filme! Nehmt eure iPhones, tut etwas!“, flehte auch der Präsident der Teddy-Jury, Marten Rabarts, neuseeländischer Filmemacher.

Als besten Spielfilm zeichnete die Jury „Hoje Eu Quero Voltar Sozinho (The Way He Looks)“ von Daniel Ribeiro aus, ein Teenager-Liebesdrama: Der blinde Leo liegt am liebsten mit seiner ABF – allerbesten Freundin – Giovana am Pool, doch dann kommt Gabriel neu in ihre Schulklasse, von dem sich Leo angezogen fühlt. „Eine neue Bedeutung für ‚Liebe macht blind‘“, urteilte die Jury über das Boy-meets-Boy-Romanze.

Der Teddy für den besten Dokumentarfilm ging an „Der Kreis“ über die Schweizer Schwulenorganisation gleichen Namens und die Zeitzeugen Ernst Ostertag und Röbi Rapp. Die beiden sind seit 1956 ein Paar und waren auch anwesend, verzückten als süße Homo-Opas das gesamte Publikum.

Als bester Kurzfilm wurde „Mondial 2010“ ausgezeichnet, ein Roadtrip eines schwulen Paares von Libanon nach Ramallah, „wo Unsichtbarkeit ein notwendiger Aspekt queeren Überlebens ist“, urteilte die Jury. Für seinen expressionistischen Film „Pierrot Lunaire“ bekam Bruce LaBruce einen Spezial-Teddy, Ehrenteddys gingen zudem an die FilmemacherInnen Elfie Mikesch und Rosa von Praunheim für ihr Lebenswerk. In Erinnerung an den ugandischen Homo-Aktivisten David Kato (ermordet am 26. 1. 2011) wurde auch der „David Kato Vision and Voice Award“ verliehen, ihn bekam die kambodschanische Transgender-Aktivistin Sou Sotheavy, die sich mehr freute als alle anderen zusammen und Standing Ovations bekam.

Genau hier zeigt sich die Bedeutung des Teddy: Die Gala ist in Ablauf und die Zwischenacts betreffend nicht immer professionell, aber der Teddy durchbricht die drohende schwule Berlin-Kuschelatmosphäre im Barock der Komischen Oper mit politischen Inhalten, beleuchtet die Situationen in Russland, Uganda und Kambodscha. Im Zweifel ist das wichtiger.