: Schecks für Migranten
Die Koalition verspricht derzeit zahlreiche Wohltaten für Migranten. Konkrete Zusagen vermeidet sie wohlweislich
BERLIN taz ■ Sage keiner, die große Koalition vergammele die großen Ferien. Die Innenpolitiker von Union und SPD überschlagen sich geradezu mit Plänen für den Umgang mit Migranten. Mehr Integrationskurse soll es geben, mehr Anreize für Spitzenkräfte aus dem Ausland und ein Bleiberecht für Flüchtlinge.
Vieles hört sich, für Unionsverhältnisse, sehr liberal an. Die CDU-Parteistrategen dürften dabei an die Berlinwahl im September denken, schließlich gilt das Hauptstadtpublikum als multikulturell, weltoffen. Manche haben wohl auch die Option einer Jamaika-Koalition im Kopf, wenn sie Vorschläge machen, die grünenkompatibel klingen.
Fragt man genauer nach, stellt sich heraus: Meist werden ungedeckte Schecks verteilt. So versprechen Union und SPD mehr Unterrichtsstunden bei den Integrationskursen – 900 statt 600 –, ohne zu verraten, wer sie finanzieren soll. Die Länder fordern schon: Der Bund! Der aber hat die Mittel gerade erst gekürzt.
Wie gut, dass es auch Maßnahmen gibt, die Modernität verheißen und nichts kosten würden. Niedrigere Hürden bei der Einwanderung von Hochqualifizierten etwa. 2005 kamen nur 900. Von einem „attraktiveren Angebot“ ist nun oft die Rede. Aber die Ausgestaltung vertagt die Regierung auf den Herbst – wohl wissend, dass die Unions-Länder bremsen. So erklärte Bayerns Innenminister Beckstein, einwanderungswillige Arbeitskräfte müssten mindestens 70.000 Euro Gehalt vorweisen. Damit würde die Hürde nur um 14.000 Euro gesenkt. Bei Selbstständigen will die Union gar nichts ändern: Sie sollen auch in Zukunft eine Million Euro investieren, bevor sie hereingelassen werden.
Überhaupt nicht mehr diskutiert wird im Moment über ein Punktesystem, das auch Geringverdienenden Einwanderungsmöglichkeiten böte – mit Kriterien wie Sprachkenntnissen und Berufsausbildung. Dafür gebe es „keine Chance“, so die SPD.
Von höchster Stelle angekündigt wurde dagegen eine Bleiberechtsregelung für Flüchtlinge, die lange hier leben, aber bisher nur geduldet wurden. Eine „vernünftige Lösung für die sogenannten Altfälle“ versprach Innenminister Wolfgang Schäuble. Es geht um knapp 200.000 Menschen, die zumeist vor vielen Jahren aus Exjugoslawien, Irak, Afghanistan oder Libanon flohen. Sie bekamen kein Ayslrecht, können aber auch nicht abgeschoben werden – unter anderem weil sie im Herkunftsland gefährdet wären oder weil die Herkunftsländer die Rücknahme verweigern. „Wer lange hier lebt, muss bleiben dürfen“, fordern Flüchtlingsorganisationen.
Der Schäuble-Vorstoß weckte Hoffnung. Von hochrangigen Beratern des Ministers ist jedoch bereits zu hören, dass ein generelles Bleiberecht nicht infrage komme. Auch hier bremst Bayern vehement, in Berlin hofft man auf Kompromisse. Wer falsche Angaben zu seiner Identität gemacht hat, soll ausgeschlossen werden. Das dürfte viele treffen. Im Gespräch ist für den Rest ein „Bleiberecht auf Probe“ – mit der Chance, binnen eines Jahres einen Arbeitsplatz zu finden. Erst ein Job, dann Sicherheit. Auf ein Bleiberecht ohne solche Vorbedingungen können höchstens Familien mit minderjährigen Kindern hoffen. LUKAS WALLRAFF