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Archiv-Artikel

Ballstädt bleibt besorgt

NAZIS Vier Festnahmen nach dem brutalen Überfall auf eine Kirmesgesellschaft. Polizei durchsucht Wohnungen von Rechten. Doch im Ort fürchtet man weitere Angriffe

„Die Razzien haben uns erfreut, aber auch verstimmt“

BALLSTÄDTER(IN), BÜNDIS GEGEN RECHTS

VON ANDREAS SPEIT

HAMBURG taz | Nach dem Angriff auf eine Kirmesgesellschaft im thüringischen Ballstädt hat die Polizei erste Verdächtige ermittelt. Am Freitag wurden drei Männer und eine Frau aus der rechtsextremen Szene wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruchs, gefährlicher Körperverletzung und Raub festgenommen.

Die Verdächtigen bestreiten die Vorwürfe. Einer von ihnen sei wegen Körperverletzung und Landfriedensbruch vorbestraft, sagte Thüringens Innenminister Jörg Geibert (CDU) am Freitag. Neue Indizien könnte eine Razzia am Samstag erbracht haben: Die „Alte Bäckerei“, die Rechtsextreme in Ballstädt erworben haben, und vier Privatwohnungen in Thüringen wurden durchsucht. „Neue Ermittlungsansätze“ hätten zu den Razzien geführt, sagte Oberstaatsanwältin Anette Schmitt-ter Hell aus Erfurt. Zu den sichergestellten Beweismitteln sagte sie noch nichts.

„Die Durchsuchungen haben uns sehr erfreut“, sagt jemand vom Bündnis gegen Rechts aus der Gemeinde der taz, „aber auch verstimmt“. Der Überfall habe immerhin schon eine Woche zurückgelegen, sagt das Bündnismitglied, das aus Sorgen vor neuen Übergriffen nicht mit Namen genannt werden möchte. In dieser Zeit hätten mögliche Beweismittel, blutverschmierte Kleidung oder Schlaggegenstände, verschwinden können.

In der Nacht zum 9. Februar zwischen zwei und drei Uhr hatten an die 20 vermummte Personen bei der „Dankeschönfeier“ für Helfer und Unterstützer der örtlichen Kirmes die letzten 15 Gäste angegriffen. Nach aggressivem Hämmern an die Tür drangen den Aussagen zufolge Vermummte in den Saal, schlugen und traten zu, auch als die Opfer schon am Boden lagen. Es seien Schlagringe und Quarzsandhandschuhe eingesetzt worden. Eine Frau aus der Szene soll dann auf die Uhr geschaut und die Gruppe zurückkommandiert haben. Im Innenministerium wird denn auch von einem „generalstabsmäßig“ geplanten Angriff gesprochen. Zehn Personen wurden verletzt, zwei Opfer mussten im Krankenhaus behandelt werden.

Bei dem Angriff wollen Betroffene mindestens einen der Täter, einen 31-jährigen Rechtsextremen aus der Szene um die Rechtsrockband SKD, gleich erkannt haben. Vor dem Angriff soll aus dem Kreis der Angreifer gefragt wurden sein, wer ihr Fenster kaputt gemacht habe. Im Dezember vergangenen Jahres wurde die Rechten-Unterkunft Alte Bäckerei mit Anti-Nazi-Graffitis versehen, auch ein Parterrefenster ging zu Bruch.

Vor zwei Jahren haben Rechtsextreme um Steffen Richter die Alte Bäckerei, die auch „Gelbes Haus“ genannt wird, mitten in dem Ort erworben. Aus der Szene wird der NSU-Beschuldigte Ralf Wohlleben unterstützt. Gute Kontakte bestehen zu der militanten Szene des „Objekt 21“ in Österreich.

Schon vor dem Kauf hatte Bürgermeisterin Erika Reisser schlimme Folgen befürchtet, sich an Sicherheitskreise und Landratsamt gewendet – ohne Erfolg. In der 700 Einwohner großen Gemeinde entwickelte sich aber das Anti-Nazi-Bündnis mit 400 Unterstützern. Am Mittwoch fand eine Mahnwache statt. „Der Saal wurden aufgeräumt, die blutigen Spuren weggewischt“, sagt die Person vom Bündnis. „Das erleichtert.“ Aber, ergänzt sie, „die Angst ist da, dass die wieder zuschlagen.“