Allein auf dem Jakobsweg

COMIC „Jakob“ erzählt von Einsamkeit, Ausgrenzung und Tod und richtet sich gleichermaßen an Kinder und Erwachsene

VON OLIVER RISTAU

Kindheit sei ein Konstrukt von Erwachsenen, sagt Benjamin Schreuder, Comic-Autor und Drehbuchstudent der Filmakademie in Baden-Württemberg. Er hat mit Zeichner Felix Mertikat, ebenfalls Student an der Akademie, vor kurzem das Comic-Märchen „Jakob“ vorgelegt. Darin beschäftigten sie sich mit existentiellen Themen wie Einsamkeit, Ausgrenzung oder dem Tod und richten sich dabei gleichermaßen an Kinder wie Erwachsene.

Zeichner Felix Mertikat gaben die Arbeiten des US-amerikanischen Zeichners Danny Miki für die Serie „Spawn“ den Anstoß, in eine ähnliche Richtung zu gehen. Er illustrierte ein Regelbuch für Rollenspiele und besuchte die Filmhochschule, wo er Storyboards entwerfen lernte. Beim Erstellen visueller Konzeptionen für Drehbücher entwickelte er die Idee, selbst einen Comic zu gestalten. So entstand gemeinsam mit Benjamin Schreuder, der unter anderem Kinderbücher wie Gyo Fujikawas „Guten Morgen, lieber Tag“ als Einfluss nennt, „Jakob“ als Diplomprojekt am Animationsinstitut der Filmakademie. Die Geschichte erzählt von einem kleinen Jungen, dessen Mutter plötzlich verschwunden ist. Sie sei auf eine lange Reise gegangen, wird ihm gesagt, aber das hilft ihm nicht weiter.

Symbolisch überhöhter Generationskonflikt

Die Personen, die Jakobs Weg auf der Suche nach seiner Mutter kreuzen, verschweigen ihm die offensichtliche Wahrheit. Einige wollen ihn schonen, andere einen Vorteil für sich aus der Situation ziehen.

Immer wieder enttäuscht und verlassen, geht er am Ende den scheinbar einzigen Weg, der ihn noch zu seiner Mutter führen kann – und erteilt somit dem Leben eine Absage. Felix Mertikats in Kombinationstechnik von Bleistift und Aquarell entstandene Zeichnungen leisten einen großen Beitrag, die märchenhafte Geschichte überzeugend wirken zu lassen. Der Verzicht auf moralisierende Töne und Erklärungen verleiht den einzelnen Szenen große Intensität und lässt offene Räume entstehen. Durch deren mehrdeutige Interpretationsmöglichkeit innerhalb eines Bildes werden gleichzeitig Traurigkeit wie unheimliche Spannung beim Leser erzeugt.

Schwierigkeiten in den Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern werden mitunter symbolisch überhöht dargestellt. Zum Beispiel trägt ein Waisenkind sein Zuhause auf dem Rücken und gibt sich als Schildkröte aus.

Beide Autoren sind durch die Lektüre von Märchen beeinflusst. Das Handlungspersonal in ihrer Geschichte rekrutiert sich unter anderem aus anthropomorphen Tieren, wie sie aus dem Werk der Brüder Grimm bekannt sind. Und die keine Rücksicht auf ein verklärtes Kindheitsideal nehmende Anwesenheit des Todes weist einen Bezug zu Hans Christian Andersens „Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern“ auf.

Durch einen ungewöhnlichen Ansatz und die überlegte Gesamtkonzeption stellt dieses Erstlingswerk einen lesenswerten Beitrag innerhalb der gegenwärtigen grafischen Literatur dar.

■ Felix Mertikat, Benjamin Schreuder: „Jakob“. Hrsg. Amigo-Graifk, Cross Cult Verlag, Ludwigsburg 2010, farbig, 64 Seiten, 16,80 Euro