: Ein reines Genie
Federico García Lorca war schon zu Lebzeiten legendär in der spanischsprechenden Welt. Er beeindruckte sein Publikum in Spanien, Argentinien, Kuba und in den USA als charismatischer Alleinunterhalter, Redner, Schauspieler und Musiker, brillierte als Dichter, Dramatiker und als Regisseur nicht nur seiner eigenen Stücke, sondern auch mit Inszenierungen der Klassiker von Lope de Vega und Cervantes.
„In einem ziemlich langen Leben mit Künstlern aller Art war García Lorca das, was dem reinen Genie am nächsten kam“, urteilte der US-amerikanische Kritiker Herschel Brickell, bei dem Federico García Lorca 1929 einige Zeit in New York gelebt hat.
Geboren 1898 in der Vega von Granada, schöpfte Lorca in seinen Gedichten und Dramen aus den Geschichten und Volksliedern seiner Heimat. „Mich interessieren die Leute, die eine Landschaft bewohnen, weit mehr als die Landschaft. Ich habe ein großes Archiv von Kindheitserinnerungen an die Sprache der Leute. Das ist das poetische Gedächtnis, und danach richte ich mich“, sagte Lorca in einem Interview.
Ihn faszinierte die Wallfahrt der kinderlosen Frauen aus der Provinz Granada, die Jahr für Jahr von der Heiligen Jungfrau im Dorf Moclín Fruchtbarkeit erbaten. Auf dem Rückweg bekräftigten sie den jungfräulichen Beistand mit der Zeugungskraft der Männer aus der Umgebung. Diese „Hahnreiwallfahrt“, das Drama der Unfruchtbarkeit und die Kraft der Leidenschaft inspirierten Lorca zu dem Theaterstück „Yerma“. Er romantisierte das Landleben nicht, sondern beschrieb auch in Theaterstücken wie „Bluthochzeit“ und „Bernarda Albas Haus“ das Drama der Unterdrückung, der tödlichen Konventionen und Vorurteile – kurz: die zerstörerische Kraft des Machismo.
Lorca selbst nannte diese drei Stücke die „dramatische Trilogie der spanischen Erde“. Auf das zentrale Thema der Bluthochzeit – eines Ehrenmords, nachdem die Braut am Hochzeitstag mit ihrer Jugendliebe durchgebrannt ist – kam Lorca durch einen Vorfall, der sich sehr ähnlich 1928 in Almería abgespielt hatte.
Der Wunsch nach Freiheit und Liberalität bestimmen auch seinen Gedichtzyklus „Ein Dichter in New York“, in dem er die Rassentrennung in den USA und den materialistischen Wahn des Kapitalismus beklagt. Als Granadiner habe er „den Hang zum mitfühlenden Verständnis für die Verfolgten, für den Zigeuner, den Neger, den Juden, den Morisken, den wir alle in uns tragen“, sagte Lorca einmal.
Er begriff als einer der Ersten die universelle Gefühlswelt des tiefinneren Gesangs (Cante jondo) der andalusischen Zigeuner, und mit seinen Gedichtsammlungen „Cante Jondo“ und „Zigeuner-Romanzen“ wurde er zu einem der herausragenden Vertreter der spanischen Moderne. Seine Themen entsprangen der Tradition, aber seine künstlerische Umsetzung war avantgardistisch. Salvador Dalí schätzte unter anderem diese zerstörerisch-poetische Kraft an ihm, und eine Zeitlang arbeiteten die beiden künstlerisch zusammen.
Obwohl Lorca sich nie politisch engagierte, war sein Schaffen im Spanien der 1930er-Jahre zutiefst politisch. Im Auftrag der liberalen Regierung gründete er 1932 das Studententheater La Barraca, mit dem er jahrelang tourte und die Klassiker des spanischen Theaters in entlegenen Orten umsonst spielte. Über ein Drittel der Bevölkerung konnte damals weder lesen noch schreiben, und für die liberale Regierung war Bildung ein vorrangiges Ziel. Für Lorcas Feinde war sein Engagement ein weiterer Beweis seiner subversiven Art. UFO