: „Wir hatten kein Bad“
WANDEL Konrad Lorenz erzählt in seinem Roman „Rohrkrepierer“ vom St. Pauli der Nachkriegszeit
■ 72, ist Maschinenbauingenieur. Er veröffentlichte unter anderem den Roman „Rohrkrepierer“.FOTO: ASMUS HENKEL
taz: Herr Lorenz, Ihr Buch „Rohrkrepierer“ erzählt von Ihrer Jugend in den 1950er-Jahren auf dem heutigen Hein-Köllisch-Platz. Erkennen Sie St. Pauli wieder, wenn Sie heute da spazieren gehen?
Konrad Lorenz: Ja und nein. Das ist heute ja alles verkehrsberuhigt, man sitzt draußen, es ist gemütlich. Das war früher das Gegenteil: Da fuhr eine Straßenbahn in beide Richtungen, da war Autoverkehr, es war eine sehr laute Straße. Da denke ich: Oh wie schön. Ich weiß aber auch, dass das eine Entwicklung nehmen könnte wie in der Schanze, dass sich Leute mit Geld einmieten oder die Wohnungen kaufen.
Wie war die Sozialstruktur auf St. Pauli in der Nachkriegszeit?
Die wurde geprägt durch die Kneipen. Das sind ja heute alles „Lokale“. In der Nachkriegszeit verkehrten dort hauptsächlich Prostituierte und Seeleute. Man konnte in einige Kneipen nicht gehen, es wurde sich sehr viel geprügelt und sehr viel Alkohol konsumiert. Es gab nicht so viele Kneipen für Normalsterbliche. Heute ist es genau umgekehrt.
Mittlerweile können es sich viele Menschen nicht mehr leisten, auf St. Pauli zu wohnen.
In der Wohnung, in der ich aufgewachsen bin, gab es kein Bad und nur einen Wasseranschluss in der Küche. Ab 1960 erkannte der Mittelstand, was für einen Vorteil Neubauwohnungen haben und sind aus dem Stadtteil weggezogen. Dann kamen die Gastarbeiter. Ab da hat man die Wohnungen auf St. Pauli peu à peu renoviert.
Was sagen Sie zum Abriss der Esso-Häuser?
Ich habe da ein gemischtes Verhältnis. Die sind ja erst nach dem Krieg gebaut worden. Aber da hat man wohl einige Fehler gemacht. Der Abriss bestätigt natürlich das Bild der Kritiker, die sagen, es würde auf Teufel komm raus Neues und Teureres gebaut. Aber ich habe mir beide Seiten angehört. Es ist ja nicht eindeutig, warum diese Häuser abgerissen werden. Und der Bauherr versucht ja auch, den Leuten, die da wohnen, etwas anzubieten.
Es gibt auch Kritik an Großveranstaltungen auf St. Pauli wie dem Schlagermove oder dem Hafengeburtstag.
Ich weiß nicht, wie das der Stadtteil wegsteckt, aber ich finde diese Veranstaltungen manchmal überzogen. Veranstaltungen auf St. Pauli im kleinen Rahmen sind eine andere Geschichte. Die finde ich zum Teil sehr interessant. INTERVIEW: KLI
„Tresenkönigin oder die Liebe an der Küste“. Texte von Konrad Lorenz und Chansons der Band Hafennacht: 19 Uhr, Lichtwarksaal, Neanderstraße 22