Südseestrände und Flatscreens
SEHEN & HÖREN Die Galerie des Künstlerhauses zeigt Arbeiten der VideoförderpreisträgerInnen 2013
Lisa Rave erzählt die Geschichte des seltenen Stoffes „Europium“, den man zur Herstellung von Bildschirmen benötigt
Video als Kunstform fand in Bremen vergleichsweise früh Anerkennung: Bereits seit 1992 vergibt die Stadt in Zusammenarbeit mit der Landesmedienanstalt und dem Künstlerinnenverband Gedok den Videoförderpreis. Arbeiten der letztjährigen PreisträgerInnen Lisa Rave, Jan van Hasselt und Tim Schomacker sind derzeit in der Galerie des Künstlerhauses zu sehen.
Videoskulptur, Musikfilm, Bildinstallation und Filmessay – all das ist Videokunst. Die Anerkennung durch den Kunstbetrieb ließ lange Zeit auf sich warten. Erst im Laufe der 90er-Jahre ist Film als Medium innerhalb der Kunst vollkommen durchgesetzt. Videomacher wie Pipilotti Rist, Harun Farocki und Tony Oursler gelten inzwischen als Stars der Kunstszene.
Mit ihren Konzepten gewannen Lisa Rave, Jan van Hasselt und Tim Schomacker die letztjährige Ausschreibung des Bremer Videoförderpreises. Ihre nun ausgestellten Filmarbeiten spiegeln die Vielfalt des Genres. Zu sehen sind ein politischer Filmessay und ein musikalisches Experimentalvideo. Von Lisa Rave stammt der kurze Essayfilm „Europium“. Die in Berlin lebende Künstlerin montiert darin Bilder von Südseestränden, schwerem Baugerät, Flatscreens und fluoreszierenden Stoffen.
Rave erzählt die Geschichte des seltenen Stoffes „Europium“, den man zur Herstellung von Bildschirmen benötigt, und der auf dem Grund des Bismarcksees zu finden ist. Der Film schafft überraschende Bezüge. Und Irritationen: Denn „Europium“ gibt es nicht in Europa, und der Bismarcksee liegt nicht in Deutschland. Beides ist in Papua-Neuguinea zu finden, einer ehemaligen deutschen Kolonie in der Südsee, die Deutsch-Guinea genannt wurde. Auch der See erhielt damals seinen Namen – und hat ihn aus unerfindlichen Gründen bis heute behalten. Raves Geschichte ist verworren. Sie führt quer durch die Geschichte und über verschiedene Kontinente. Vom Kolonialismus bis heute, von Westeuropa in die Südsee.
Daneben verfolgt sie Motive wie die Nautilus-Muschel: Ab 1883 suchten deutsche Militärs und Kaufleute die Südseeinsel Neuguinea heim. Ihre Bewohner verwendeten damals Nautilus-Muscheln als Zahlungsmittel. Der Legende nach sollen die deutschen Kolonialherren bei ihrer Ankunft mit gefälschten Muscheln Waren von den Insulanern gekauft haben. Eine Bremer Reederei, die nach dem Zahlungsmittel der Südseeinsel „Nautilus“ heißt, ist am Europium-Abbau beteiligt.
Die Kontinuitäten der Kolonialgeschichte sind vielfältig. So schafft Rave in ihrem Film allerlei eigenartige Zusammenhänge. Nicht zuletzt handelt Raves Film von Bildern. Der Film leitet ein mit Testbildern aus der Südsee auf den Displays von Smartphones und Flatscreens. Und diese Bilder werden erst durch das Europium möglich.
Der zweite Preis ging an die Experimentalmusiker Tim Schomacker und Jan van Hasselt. Diese realisierten einen Film ganz anderer Art. Musik spielt darin eine zentrale Rolle. Der Titel ihrer Arbeit gibt einen Hinweis auf das Dirigieren als Thema: „Mach mal!“ In ihrer Projektion sind die beiden Bremer Künstler abwechselnd zu sehen. Sie gestikulieren mit ihren Armen, wie Lotsen auf dem Rollfeld, Verkehrspolizisten auf einer Kreuzung oder Schiedsrichter auf dem Fußballplatz sehen sie aus. Aber zusammen wollen ihre Gesten einfach keinen Sinn ergeben. Ihre Anweisungen erhalten die beiden Anweiser von einem Display, auf dem verschiedene Zeichen nacheinander ablaufen.
Teil der Installation sind die Sounds der Musikprojekte KLANK und Doombruder, an denen Schomacker und van Hasselt beteiligt sind. Die Musiker folgen wiederum dem seltsamen Dirigat auf der Leinwand. Zur Finissage am 2. März um 15 Uhr spielen KLANK und Doombruder, außerdem werden die TrägerInnen des Videopreises 2014 bekannt gegeben. RADEK KROLCZYK