Wowereits Versprechen: Wahllüge als Chance
Keine Sorge, hier folgt kein Sermon über die Verlogenheit von Politikern. Auch kein Gejammer über dreistes Bürger-Belügen vor der Wahl. Das alles ließe sich zwar problemlos behaupten angesichts des jüngsten Vorstoßes des Regierenden Bürgermeisters. Klaus Wowereit hat fünf Wochen vor der Abgeordnetenhauswahl kostenfreie Kita-Besuche für alle Vorschulkinder in Aussicht gestellt. Wann das kommen soll, sagt er nicht. Wie er das bezahlen will, auch nicht. Das ist Populismus, klar. Aber darin steckt auch eine Chance.
KOMMENTAR VON MATTHIAS LOHRE
Berlin muss zwar weiter sparen. Mit dem bundesweit erstklassigen Kita-Angebot kann die arme Stadt jedoch wuchern. Nicht nur, um Kinder zu fördern und Eltern zu entlasten. Sondern auch, weil Kinderfreundlichkeit zum Standortfaktor wird.
Mit seiner Ankündigung hat sich Wowereit weit aus dem Fenster gelehnt. Schon relativiert Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) den Ausrutscher seines Chefs: Die Kostenbefreiung stehe doch ohnehin auf der Senats-Agenda. Nur wann, sei nicht klar. Kurz: Wir schieben die Pläne auf den Sankt-Nimmerleins-Tag.
Nun ist es an der Opposition und dem SPD-Koalitionspartner Linkspartei, Wowereit nicht durch dieses Schlupfloch entwischen zu lassen. CDU, Grüne und FDP dürfen das wichtige Wahlkampfthema nicht unbesetzt lassen. Die Linkspartei hingegen kann nicht dulden, dass die SPD als Kinder-Wohltäter dasteht – dieselbe SPD, die gegen erbitterten PDS-Widerstand massive Kitagebührenerhöhungen im Jahr 2004 durchdrückte.
Der Slogan „Kostenlose Kita-Plätze für alle“ könnte so Konsens zwischen den Parteien werden, dem sich keine Seite ungestraft entziehen kann. Bis aus dem Schlagwort Wirklichkeit wird. Noch vor dem Sankt-Nimmerleins-Tag.
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