IN ISRAEL BEGINNT DIE AUFARBEITUNG DER FEHLER DES LIBANON-KRIEGS
: Die Suche nach den Verantwortlichen

Für Premierminister Ehud Olmerts politische Gegner ist die Stunde gekommen. Fünf Wochen rutschten sie zunehmend ungeduldig auf ihren Oppositionsstühlen herum. Nun ruft es einmütig aus dem linken wie rechten Flügel im Parlament: Eine Untersuchungskommission muss her.

Tatsächlich gibt es mehr als einen guten Grund, Untersuchungen einzuleiten. Die Liste des Versagens beginnt schon vor dem Krieg: etwa mit dem Versäumnis, auf eine Entwaffnung der Hisbollah im Libanon zu drängen, wie es einst die UNO entschied. Jahrelang wurde zudem der militärische Nachrichtendienst vernachlässigt. Erst am Ende steht der Kriegsverlauf, der in Israel schon offen als einzige große Niederlage gehandelt wird.

Wer sich für das militärische Versagen verantworten muss, ist vermutlich Stabschef Dan Chalutz. Regierungschef Olmert trägt zwar die letzte Entscheidungsmacht. Dennoch ist es ein offenes Geheimnis, dass er selbst militärisch unbewandert ist und deshalb auf seine Berater vertrauen musste. Das ist ein Argument, hinter dem sich auch die frühere Premierministerin Golda Meir nach dem Jom-Kippur-Krieg 1973 zu verstecken wusste. Allerdings nur mit bedingtem Erfolg: Die Kommission machte die politische Führung nicht unmittelbar verantwortlich, trotzdem trat Golda Meir anschließend von ihrem Posten zurück. Demgegenüber wurde das Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Schatilla während des ersten Libanonkrieges Anfang der 80er-Jahre dem damaligen Verteidigungsminister Ariel Scharon unmittelbar zur Last gelegt. Scharon durfte auf Lebenszeit dieses Amt nicht mehr ausüben.

Dass Olmert nun über die Ergebnisse der Untersuchungskommission stürzen wird, ist jedoch kaum zu erwarten. Auch dass öffentlicher Druck zum Abschied des Premierministers führen wird, ist mehr als unwahrscheinlich: Die Ergebnisse werden in der Regel erst Wochen nach einem Vorfall veröffentlicht, wenn das tagesaktuelle Interesse längst woanders ist. Allein um der Ordnung willen ist eine Untersuchung dennoch gerechtfertigt. Und um den Kritikern vor ihrer nächsten Attacke auf die Regierung die Argumentation zu erleichtern. SUSANNE KNAUL