Ein EU-Boot für 1.000 Kilometer Fluchtroute

Die groß verkündete EU-Marineoperation gegen Afrikas Migranten ist ein Schlag ins Wasser. Es kommen immer mehr

MADRID taz ■ Seit dem Wochenende unterstützt die EU Spanien mit Patrouillen bei der Bekämpfung der Flüchtlingsbewegungen aus Afrika in Richtung Kanarische Inseln, dennoch kommen ständig neue, voll besetzte Boote an. Erst in der Nacht zu gestern gelangte eines nach Teneriffa mit 145 Insassen, ein anderes nach Gomera mit 105. Die Boote werden immer größer. Manche fassen bereits über 170 Insassen. Seit Jahresbeginn haben mehr als 16.000 Flüchtlinge von Afrika auf die Kanaren übergesetzt, doppelt so viele wie im gesamten Vorjahr.

„Alles nur Kosmetik“ beschwert sich die spanische Opposition angesichts der Regierungsverlautbarungen, mit EU- Unterstützung der Flüchtlingskrise endlich beizukommen. Fünf Patrouillenboote werde die europäische Grenzagentur Frontex schicken, hatte Spaniens Regierungssprecherin María Teresa Fernández de la Vega vor der Sommerpause behauptet. Tatsächlich kam jetzt ein einziges Boot aus Italien, um die spanischen Fregatten zwischen den Kanaren und Afrikas Westküste zu unterstützen. Ein zweites aus Portugal soll in den nächsten Tagen hinzustoßen. Zusätzlich werden zwei Flugzeuge erwartet. Die Operation „Hera II“, so der Codename in Brüssel, soll sieben bis neun Monate dauern und 3,2 Millionen Euro kosten.

Doch selbst mit einem größeren Aufgebot wäre der Erfolg ungewiss. Denn Senegal, an dessen Küste die meisten Flüchtlinge auf die über 1.000 Kilometer lange Reise gehen, weigert sich bisher, seine Küste gemeinsam mit der EU zu kontrollieren. Denn als Spanien Ende Mai 99 Flüchtlinge zurückschickte, machte die örtliche Presse auf die schlechte Behandlung der Abgeschobenen auf dem Flug nach Dakar aufmerksam. Es kam zu Protesten in Senegals Hauptstadt.

Der Versuch, die EU-Südgrenze hermetisch abzuriegeln, hat einen hohen Preis. Die Flüchtlinge nehmen immer längere Wege. Kamen sie vor einem Jahr noch vor allem aus Marokko und der besetzten Westsahara, verlegten sie die Abfahrtsorte seitdem nach Mauretanien und dann nach Senegal.

Die Überfahrt wird immer gefährlicher. Erst vergangene Woche verloren über 40 Menschen ihr Leben auf hoher See. In einem Flüchtlingsboot explodierte eine Gasflasche, mit deren Hilfe die Insassen kochten. Mindestens 16 Menschen starben dadurch. Auf einem anderen Boot verdursteten 27 Menschen. Laut der mauretanischen Armee, die die Flüchtlinge vor der Küste abfing, habe das Boot fast die Kanaren erreicht. Dort sei es von den Spaniern zum Umdrehen gezwungen worden. Madrid bestreitet dies. REINER WANDLER