„Die Zerbrechlichkeit unserer Freiheit zeigen“

Der Konzeptkünstler Peter Zizka möchte Kunst aus den Galerien herausholen. Ab morgen ist sein „Virtuelles Minenfeld“ in Osnabrück zu sehen. Aus dem Verkauf der Bodenplatten finanziert Medico International die Räumung von Landminen

taz: Herr Zizka, Ihr Projekt tourt seit 2004 durch die Republik. Warum haben Sie sich ausgerechnet für Landminen interessiert?

Peter Zizka: Ich hatte schon lange das Bedürfnis, eine gesellschaftsrelevante Ausstellung zu generieren. Denn seit den 70er Jahren ist Kunst zunehmend in die Galerien zurückgedrängt worden. Konkret hat mich interessiert, wie ich die Zerbrechlichkeit unserer Freiheit zeigen kann. So bin ich auf den Minenteppich gekommen. Er kann im Wortsinn jederzeit unsere Freiheit unterminieren. Hinzu kommt eine bewusste Ästhetisierung. Denn streng ethisch betrachtet geht es natürlich nicht, Minen als idyllische Blumenwiese darzustellen, wie ich es auf meinen Bodenplatten tue.

Warum widmen Sie sich überhaupt politischen Themen? Ist Ihnen die reine, hehre Kunst zu langweilig?

Dem Gebundensein an Vermarktungsmechanismen der Galerien stehe ich schon lange skeptisch gegenüber. Es wäre ein Lüge zu sagen, dass mich das gar nicht interessiert – aber ich hatte immer das Gefühl, in diesem Kreislauf stecken zu bleiben. Ich habe mich also gefragt, wie ich in die Gesellschaft hineinwirken kann. Hier kam die Organisation Medico International ins Spiel, die das „Virtuelle Minenfeld“ betreut und der Aktion gesellschaftliche Relevanz verleiht. Einen konkreten Nutzen hat die Aktion außerdem: Aus dem Verkauf der Platten – 500 Euro pro Stück – wird das Entfernen von Landminen finanziert.

Wer hat die Minen, die auf Ihren Bodenplatten abgebildet sind, eigentlich fotografiert?

Menschen, die privat in Kriegsgebiete fahren und dort Minen entschärfen. Zu einigen von ihnen habe ich Kontakt aufgenommen. Meine Platten zeigen 60 verschiedene Minensorten, die sich hier zu adretten Mustern fügen.

Ein recht didaktischer Ansatz ...

Ich hatte in der Tat zunächst Angst, durch diese schreckenerregenden Bilder zu didaktisch zu wirken. Aber die Ästhetisierung hat an allen Stationen der Ausstellung zu einer echten Auseinandersetzung geführt, die auch Menschen dem Thema näher bringt, die bis dato nicht damit befasst waren. Die Palette an Reaktionen war allerdings sehr breit: Als wir die Minen 2004 im Auswärtigen Amt bei einer internationalen Konferenz gezeigt haben, sind die afrikanischen Teilnehmer nicht darübergelaufen. Sie hatten Angst. Ein Europäer dagegen hat mich gefragt, ob das eine Weihnachtsdekoration sei. Später hat er sich entschuldigt. Vor allem für die Europäer war es wichtig zu erfassen, wie solche Minen aussehen – und dass man dazwischen hin- und herspringen muss. Und dass die in Wirklichkeit noch viel gefährlicher sind – weil man sie eben nicht sieht! Es ist also wohl gelungen, eine Diskussion zu entfachen, die über schlichte Betroffenheit weit hinausgeht.

Finden Sie, dass die Künstler der Industrienationen ganz allgemein politischer werden müssten?

Ich kann da schlecht für andere sprechen. Aber mir persönlich sagt das Modell, gesellschaftlich Relevantes zu tun, entschieden mehr zu. Ich möchte als Künstler einfach in die Gesellschaft involviert sein. Deshalb fände ich es auch nicht schlimm, wenn jemand schriebe, meine Projekte seien keine Kunst. Hauptsache, es funktioniert. Tatsächlich wird diese Aktion von der Gesellschaft aber als Kunst gelesen.

Wie viele Bodenplatten haben Sie schon verkauft?

Von den ursprünglich 600 ungefähr 250. Das heißt, dass wir in Osnabrück nur knapp 300 Platten zeigen werden. Für mehr hätte der Platz auch nicht gereicht.

Wie lange wird die Ausstellung noch touren?

Ich weiß noch nicht. Am besten, bis alle Platten weg sind.

Welches wird Ihre nächste Arbeit sein?

Sie soll „Symbiose“ heißen und sich dem weltweiten Problem der „small weapons“ widmen. Denn 80 Prozent aller Kriegstoten sterben nicht durch Granaten oder Bomben, sondern durch Kalaschnikows und Ähnliches. Das Problem ist die riesige Menge an Kleinwaffen, die weltweit produziert wird. Für mein Projekt will ich versuchen, Originalwaffen zu bekommen und zu ästhetischen Skulpturen zusammenzubauen.

... und so abermals eine makabere Ästhetik zu schaffen.

Die ästhetische Faszination von Waffen ist ein Faktum. Es wäre gelogen, das nicht zuzugeben. Meine Aufgabe ist es, dies zu nutzen, um die Menschen ein bisschen wacher zu machen.

Interview: Petra Schellen

Eröffnung: heute, 17 Uhr, Kulturgeschichtliches Museum Osnabrück. Die Ausstellung wird bis 17. September gezeigt. Info zum Erwerb der Bodenplatten: www.virtuelles-minenfeld.de