: Piraten-Techniker sabotieren die Parteicomputer
FEMEN Ein Oben-ohne-Auftritt verstärkt die Flügelkämpfe in der Piratenpartei. Einigen Technik-Nerds reicht es: Aus Protest gegen den linken Flügel und dessen antideutsche Aktion ziehen sie den Stecker
OLIVER HÖFINGHOFF, FRAKTIONSCHEF
BERLIN taz | In der Piratenpartei eskaliert der Konflikt um die politische Grundausrichtung. Techniker und Verwaltungsmitarbeiter sind am Freitag in einen „Warnstreik“ getreten und haben interne Mailinglisten und andere Onlinearbeitswerkzeuge der Partei lahmgelegt. In ihrer Erklärung heißt es: „Wir wünschen uns einen Politikwandel, der sich durch friedliche Teilhabe auszeichnet und sich deutlich von gewalttätigem Aktivismus abgrenzt.“ Die Landesvorstände von NRW und Niedersachsen wollen Anträge auf den nächsten Parteitagen einbringen, die die Piraten als gemäßigte „sozialliberale Partei“ positionieren.
Ursprünglicher Auslöser der Debatte ist eine angebliche Aktion von Anne Helm, die auf der Liste der Piraten für die Europawahl auf Platz fünf steht. Am 13. Februar soll sie in Dresden dem britschen Luftwaffenbefehlshaber Arthur Harris für die Bombardierung der Stadt im Zweiten Weltkrieg gedankt haben: „Thanks Bomber Harris“, habe sie auf ihren Oberkörper gepinselt und diesen nackt präsentiert. Die Aktivistin war vermummt; andere Piraten identifizierten sie aber an ihrem Tattoo. Die Piratenpartei bestritt in einer Stellungnahme an die taz, dass es sich bei der Aktivistin um die Europakandidatin handelt.
Helm schreibt in einer Erklärung, Dresden sei „als Produktionsstandort und Umschlagplatz für die näher rückende Front alles andere als ein nichtmilitärisches Ziel“ gewesen. Auf Twitter gibt es Tausende Wortmeldungen von Piraten zu diesem „Bombergate“. Die Berliner Abgeordnete Susanne Graf meint, es sei „nicht akzeptabel, Massenmord zu beschönigen“. Fraktionschef Oliver Höfinghoff hält dagegen: „Wann kapiert dieses Deutschland endlich, dass eine Entnazifizierung heute so nötig ist wie eh und je?“ Solidarität mit Helm sei „wichtiger als Deutschland!“.
Inzwischen diskutieren die Piraten ganz grundsätzlich, ob sie sich als Teil einer eindeutig linken Bewegung sehen oder als sozialliberale Bürgerrechtspartei, die sich von allem distanziert, was linksradikal aussieht. Die Auseinandersetzung hat dabei ungewöhnliche Schärfe gewonnen. „Diejenigen, die diese Auffassung von Gewaltfreiheit und gegenseitigem Respekt nicht teilen, fordern wir auf, die Piratenpartei zu verlassen“, heißt es in einem Aufruf des Landesvorstands Rheinland-Pfalz. Laut dem Landesvorstand Hessen gab es viele Austritte, Zerfallserscheinungen deuten sich an.
Der Sabotageakt der Systemadministratoren an den wichtigen internen Arbeitsmitteln heizte den Streit weiter an. Die prominente Piratin Anke Domscheit-Berg kritisierte den „Machtmissbrauch“ der IT-Mitarbeiter. Allerdings sei dadurch auch die Welle der Parteiaustritte vorübergehend gestoppt, witzelte der ehemalige politische Geschäftsführer Johannes Ponader auf Twitter: „Das Beste ist ja, dass jetzt auch das Austrittsformular offline ist.“ SEBASTIAN HEISER