: Museum auf Abwegen
KUNSTHANDEL Das niedersächsische Landesmuseum soll ein gestohlenes Tiepolo-Gemälde nach Deutschland geschmuggelt haben – und dies vor Gericht geleugnet haben. Die Bestohlenen fordern die Rückgabe
Das Oberlandesgericht Celle ist kein Ort, an dem einem Agentengeschichten mit französischem Touch einfallen würden. Und das niedersächsische Landesmuseum Hannover ist nicht unbedingt ein Protagonist, dem man halbseidene Taktiken und ein, so scheint es, schwieriges Verhältnis zu Wahrheit und Gesetz zuschreiben würde.
Glaubt man dem Berliner Anwalt Peter Raue, so hat eben jenes Museum 1985 das Bild „Die Wunderheilung des zornigen Sohnes“ des Renaissance-Malers Tiepolo im Wissen gekauft, dass es sich um Hehlerware handelte. Und, schlimmer noch: Vor dem Landgericht Hannover habe es „vorsätzlich falsch“ über die Umstände des Kaufs berichtet. In einem ersten Prozess 2008 hatte die italienische Familie Ferrari di Valbona das Landesmuseum auf Herausgabe verklagt. „Die Wunderheilung“ war 1979 aus der Pariser Wohnung eines Familienmitglieds gestohlen und als solches der Polizei gemeldet worden. Eine Privatkäuferin namens Grati Baroni de Piqueras erstand es für 60.000 Francs. Davon wiederum erfuhr der Ausstellungsleiter (Oberkustos) des Landesmuseums, und reiste 1985 nach Paris, um das Gemälde für eine Million Francs zu kaufen.
Schon hier hätte Skepsis beim Oberkustos erwachen müssen, sagt nun das Oberlandesgericht Celle. Nein, sagt das Museum. Denn der Oberkustos habe sich, im Wissen, dass das Gemälde zuletzt Teil der Sammlung Ettore Modiani, Bologna – des Vaters der später Bestohlenen – gewesen sei, erkundigt, ob die Verkäuferin das Bild ordnungsgemäß aus Italien ausgeführt habe. Sie habe es in Frankreich gekauft, sei die Antwort gewesen. Papiere habe sie nicht vorgelegt. Grati Baroni de Piqueras wiederum gab zu Protokoll, sie habe Kauf und Verkauf für rechtmäßig gehalten. Was die Gegenseite angesichts der Versechzehnfachung des Preises zart anzweifelt.
Zum ersten Prozess war es gekommen, nachdem die Familie Ferrari di Valbona ihre Anzeige bei der für Kunstraub zuständigen Sondereinheit der italienischen Polizei erneuert hatte. Die hatte das vermisste Bild dann in Hannover ausfindig gemacht. Das dortige Landgericht hatte einen Gutachter beauftragt, der dem Museum in zwei Aspekten Mängel bei der Sorgfalts- und Erkundungspflicht attestiert hatte. Dennoch wies das Gericht die Klage als unbegründet zurück – das Museum habe gutgläubig gehandelt, hieß es im Urteil.
Dass man sich in Celle dieser Ansicht nicht anschließen wird, zeichnet sich bereits ab. Der Vorsitzende Richter erklärte bereits, dass das Museum genau gewusst habe, wie das Gemälde nach Deutschland gekommen sei. Nämlich nicht, wie ursprünglich behauptet, rechtmäßig verzollt. Die Belege darüber habe man nach zehn Jahren vernichtet, hatte das Museum zunächst bekundet. Dann entsann man sich eines anderen: Der Fast-Schwiegersohn der Verkäuferin hatte den Tiepolo in einer Tüte am Zoll vorbeigeschmuggelt.
Nun will man in Celle darüber entscheiden, ob das Museum grob fahrlässig oder aber mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Damit ist die Möglichkeit einer bloß fahrlässigen Tat ausgeschlossen – und die Rückgabe des Gemäldes sehr wahrscheinlich. Der Wert des zornigen Sohns wird inzwischen auf bis zu 850.000 Euro geschätzt. Das Museum selbst und das niedersächsische Kulturministerium wollen sich bislang nicht äußern. Das Urteil wird in zwei Wochen erwartet. FRIEDERIKE GRÄFF