: Kliniken in NRW bangen um ihre Existenz
Kommunale Krankenhäuser fürchten die Folgen des neuen Tarifvertrags für Ärzte: Um die höheren Gehälter zu finanzieren, werde am Personal gespart werden müssen. So fallen in Dortmund voraussichtlich 40 bis 50 Stellen weg
DÜSSELDORF taz ■ Nach der Tarifeinigung für Klinikärzte an kommunalen Krankenhäuser bangen nordrhein-westfälische Kliniken um ihre Existenz. „Das Krankenhaus kann die Kosten nicht decken“, sagt der Sprecher des Klinikums Dortmund, Jörg Kühn. Man rechne damit, dass der Tarifabschluss jährlich drei bis fünf Millionen Euro Mehrkosten verursacht. Auch das Solinger Klinikum weiß nicht, wie es die zusätzlichen Kosten, die durch den Tarifvertrag entstehen, finanzieren soll. „Die Krankenhäuser werden allein gelassen“, klagt Ottmar Heesen, Vorsitzender der Betriebsleitung des Städtischen Klinikums Solingen. Der Gesetzgeber müsse sich etwas einfallen lassen, fordert er.
Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände NRW (KAV) befürchtet, dass es aufgrund des Tarifabschlusses zu Sparmaßnahmen und Stellenabbau kommen wird. „Ärzte werden immer gebraucht, die Frage ist nur, in welcher Anzahl und ob sie alle unterkommen, wenn Häuser schließen müssen“, sagte der Geschäftsführer Theo Hindahl dem WDR.
Nach fast acht Wochen Streik hatten sich die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und die Ärztegewerkschaft Marburger Bund am vergangenen Donnerstag auf einen Tarifvertrag für die rund 70.000 Mediziner an 700 kommunalen Kliniken geeinigt. Der Tarifabschluss werde die Kliniken rund 500 Millionen Euro kosten, sagte der Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Otto Foit. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sprach von einer Kostenkrise. „Zehn bis 13 Prozent mehr Gehalt sind für die Krankenhäuser ein schwerer Brocken, der nicht verkraftbar ist“, erklärte DKG-Geschäftsführer, Georg Baum. Die Versorgung der Patienten werde sich zwangsläufig verschlechtern. Denn wenn aus Kostengründen Personal reduziert werde, hätten Ärzte und Pfleger weniger Zeit für die Versorgung der Patienten, fürchtet Martin Lehrer vom Städte- und Gemeindebund NRW.
Auch die Ärzte selbst werden sich möglicherweise nicht lange über die erstrittene Gehaltserhöhung freuen: Im Klinikum Dortmund etwa werden über kurz oder lang 40 bis 50 Ärztestellen wegfallen, sagt Kliniksprecher Kühn. „Wir müssen am Personal sparen, um die höheren Gehälter zu finanzieren. Das ist unser größter Kostenblock.“ Von einem Gesamtbudget von 240 Millionen Euro seien 160 Millionen Euro Personalkosten. Ein Arzt koste jährlich ungefähr 80.000 Euro, so Kühn. „Wir werden versuchen, im ärztlichen Bereich zu sparen, indem wir gewisse ärztliche Tätigkeiten auf ein qualifiziertes Pflegepersonal übertragen.“ Entlassungen ließen allerdings vermeiden, denn das Krankenhaus habe bei den Ärzten eine hohe Fluktuationsrate. „Wir werden nicht einfach Ärzte rauswerfen, sondern umstrukturieren“, betont Kühn. Das Problem sei, dass es schnell gehen müsse. Das Klinikum habe bereits im vergangenen Jahr rote Zahlen geschrieben. Der Streik habe einen Einnahmeausfall von drei Millionen Euro gebracht.
Beim Klinikum in Solingen werde noch gerechnet, was der neue Tarifvertrag das Krankenhaus genau kostet, sagt Heesen, Betriebsleitungs-Vorsitzender. „Danach werden wir Maßnahmen treffen müssen.“ Welche, könne er jetzt noch nicht sagen. Dennoch seien alle im Krankenhaus froh, dass die Einigung endlich zustande gekommen ist. 500 Operationen seien während des Tarifstreits weniger durchgeführt worden – das mache einen Ausfall von über eine Million Euro. „Wir hoffen, dass wir unsere vorherige Patientenzahl wieder erhalten und keinen dauerhaften Imageschaden erlitten haben.“ NAIMA EL MOUSSAOUI