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Archiv-Artikel

Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt

Nach Gebühren-Beschluss des Verwaltungsgerichts: Uni will auswärtigen Studierenden gezahlte Beiträge nicht zurückzahlen – es sei denn sie haben Widerspruch eingelegt. Gleichzeitig bahnt sich ein Koalitions-Krach an

Von CJa

Über 2.000 Studierende haben 500 Euro Studiengebühren bezahlt – viele von ihnen zu Unrecht. Drei Studierende wurden nun vom Bremer Verwaltungsgericht von der Gebührenpflicht vorerst befreit. Die Richter bestätigten ihren Widerspruch per Beschluss (taz berichtete).

Gut beraten war, wer sich an eine Empfehlung des AStAs hielt und Widerspruch gegen den Gebührenbescheid einlegte – nach Angaben von Uni-Justiziar Erik Voermanek waren das rund 1.000 Studierende. Unter ihnen werden nun wohl all diejenigen „nicht mehr verfolgt, deren Fall gleich gelagert ist, wie der der Kläger“. Im Klartext: Wer zahlen sollte, weil er nicht in Bremen wohnt, dies aber noch nicht getan hat, hat Glück. Wer keinen Widerspruch einlegte, habe dagegen keinen Rechtsanspruch mehr auf das unrechtmäßig eingetriebene Geld. Der sei mit Ablauf der Widerspruchsfrist erloschen, so Voermanek. Künftig werde die Uni aber darauf verzichten, Gebühren von nicht in Bremen ansässigen Studierenden zu fordern.

Dennoch könnte sich der Beschluss als Pyrrhussieg für die Gegner des Bezahlstudiums entpuppen. Die Bremer CDU jedenfalls greift im Fahrwasser des Richterspruchs ihr Ziel allgemeiner Studiengebühren wieder auf: Angeblich würden durch ihn 34 Millionen Euro den bremischen Kassen fehlen, behaupten die Christdemokraten. Der Löwenanteil der Summe bestehe aus entfallenden Mitteln des Länderfinanzausgleichs. Sie stützen sich dabei auf den Haushaltsplan 2006/07, in dem der fragliche Betrag nach Schätzungen der Bildungsbehörde über Studenten-Zuzüge nach Bremen veranschlagt wurde.

Mit zusätzlichen 8.500 Neubürgern bis Ende 2007 hatte Bildungssenator Lemke gerechnet. Überzogene Erwartungen: Von bisher rund 1.100 Neuanmeldungen durch die Gebührenpflicht spricht man an der Uni. Diese Größenordnung bestätigt auch Hans-Jörg Wilkens, Leiter des Stadtamtes. „Ich habe Schwierigkeiten, die Zahlen der Bildungsbehörde nachzuvollziehen“, so Wilkens. „Unwahrscheinlich“ sei, dass sich die Zahl der – zusätzlichen – Neubürger bis Ende 2007 verneunfache. Sollten die drastischen Angaben den politischen Druck auf den Koalitionspartner erhöhen? Offen zugeben mag man das in der CDU-Zentrale nicht: „Darüber müssen wir uns erst mit dem Rathaus abstimmen“, so Fraktionsgeschäftsführer Dirk Hoffmann.

Zwar weist Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) das Ansinnen bislang zurück. „Es war, ist und bleibt mein Ziel, jungen Bremern eine wissenschaftliche Ausbildung ohne Studiengebühren zu ermöglichen,“ legte er sich fest. Offensichtlich setzt er darauf, dass das Verwaltungsgericht im Hauptsache-Verfahren dereinst noch überzeugt werden kann. Seine Hoffnung speist sich aus Gerichtsentscheiden zum Privatschulwesen. In denen wurden in der Tat mehrfach so genannte Landeskinder-Regelungen bestätigt. Auch die bevölkerungspolitische Steuerungswirkung rechtfertige nach seiner Auffassung ein solches Modell, so der Verwaltungsjurist.

Ob Böhrnsen an seinem Kurs noch festhält, wenn die Uni – und mittelbar: das Land – vor Gericht unterliegt, steht aber auf einem anderen Blatt. Bildungsbehörden-Sprecher Rainhard Gausepohl verdrängt die Möglichkeit: „Darüber machen wir uns keine Gedanken. Wir verlieren nicht.“ CJa