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Archiv-Artikel

Krawalle im Schanzenviertel

RANDALE Nach friedlichem Straßenfest mit nahezu 10.000 Besuchern gibt es Ausschreitungen. Keiner der Festgenommenen kommt auch aus dem Viertel

„Polizeirandale zu provozieren, das ist im Viertel nicht gewollt“

AUTONOMER AUS HAMBURG

AUS HAMBURG KAI VON APPEN UND ANDREAS SPEIT

Die Bewohner des Hamburger Schanzenviertels hatten sich sehr gewünscht, dass es im Anschluss an das diesjährige Schanzenfest nicht zu Ausschreitungen wie in den Vorjahren kommt. Sogar Autonome hatten in Anrufen an Akteure aus der Szene appelliert, das Fest für keine „militanten Auseinandersetzungen“ zu nutzen, da dies „ein falsches politische Signal“ sei. Dennoch ist es am Samstag zu Randale gekommen. Dabei ging die Polizei mit Wasserwerfern gegen Randalierer vor. Die Polizei gab an, vier Beamte seien leicht verletzt worden. Insgesamt 42 Personen wurden festgenommen, doch nach Polizeiangaben stammt keine von ihnen aus dem Schanzenviertel.

Zuvor hatten den Tag über nahezu 10.000 Menschen vor einer Bühne des autonomen Stadteilzentrums Rote Flora gefeiert oder waren entlang Essens-, Getränke- und Flohmarktständen durch die Straßen des Viertels flaniert. Dort hingen Transparente aus den Fenstern, die Angereisten signalisierten, man wolle hier keine Randale: „Geht woanders spielen“ und „Habt ihr kein eigenes Viertel“. In den Abendstunden endete das Szene-Event mit einer Kissenschlacht.

Etwas später entzündete eine Gruppe Berliner Autonomer nahe der Roten Flora einen Müllberg. Hamburger Autonome griffen ein – Vermummte löschten den Müll, was die Berliner empörte: „Wieso mischt ihr euch ein?“, entrüstete sich der Sprecher der Gruppe: „Was soll der Scheiß, hier Polizeirandale zu provozieren, das ist im Viertel nicht gewollt“, bekam er zur Antwort. „Ihr habt doch keine Ahnung von den politische Verhältnissen in Hamburg.“ Der Berliner erwiderte: „Wir sind deswegen 500 Kilometer gefahren – zu welchen Block gehört ihr eigentlich?“ Antwort: „Wir machen autonome Politik für den Stadtteil.“

Auch andernorts steckten Leute einen Müllcontainer in Brand, und auch dort griffen Anwohner sofort ein, attackierten die Zündler und sorgten für ein kontrolliertes Ausbrennen. „Kein Feuer in meinem Viertel.“ Bis dato griff die Polizei – anders als früher – nicht ein.

Aber dann kam es doch noch zu einer Eskalation: Eine Gruppe von 300 Jugendlichen bewarf Polizisten mit Steinen und Flaschen „Wir hofften lange, dass es den Anwohnern gelingt, Krawallaktionen zu verhindern. Von den gelöschten Bränden wussten wir“, sagt später ein Polizeiführer gegenüber der taz. „Aber nun mussten wir einschreiten.“

Mit sieben Wasserwerfern und starken Kräften ging die Polizei nun gegen die Jugendlichen vor. Sie räumte den Platz gegenüber der Roten Flora, auch „Ballermann-Boulevard“ genannt, und trieb die Pistengänger mit Wasserwerfern in die Seitenstraßen ab. Mehrere Stunden standen sich Polizei und Randalierer an etlichen Stellen gegenüber, Flaschenwürfe wurden mit Wasserfontänen beantwortet. Für viele Stunden musste der S-Bahn-Verkehr eingestellt werden aus Sorge, Menschen könnten über die Gleise laufen.

Insgesamt waren 2.000 Polizisten im Einsatz. Währenddessen zogen kleine Trupps durch das Viertel und warfen mit Steinen auf Geschäfte.

Dennoch war die Intensität dieser Krawalle, was Dauer und Härte angeht, geringer als die der Vorjahre. Und auch die Polizei ging deutlich behutsamer vor – Jagd- und Prügelszenen waren die Ausnahme.