Senat stopft Flickenteppich

In einem Bericht lobt der Senat seine Fahrradpolitik. Seit 2004 habe der Radverkehr um 18 Prozent zugenommen. Nur die Bezirke spielen nicht mit – und bummeln beim Aufmalen von Radstreifen

VON ULRICH SCHULTE

Der Haushalt der Verkehrssenatorin ist vorbildlich ausgestattet: Sechs Fahrräder stehen bei ihr zu Hause für vier Personen bereit, erzählte Ingeborg Junge-Reyer (SPD) gestern, als sie einen Bericht über die Radverkehrsstrategie des Landes vorstellte. Und offensichtlich folgen immer mehr BerlinerInnen ihrem Beispiel: Zwischen 2004 und 2006 sei der Radverkehr um 18 Prozent gestiegen, so Junge-Reyer. Dies haben Verkehrszählungen an mehreren Orten ergeben, zum Beispiel in der Blücherstraße in Kreuzberg und an der Karl-Liebknecht-Straße in Mitte. In den Jahren 2001 bis 2004 fiel der Zuwachs mit 3 Prozent moderater aus.

Der Senat hat 2004 einen Plan beschlossen, mit dem er Rad fahren in der Stadt attraktiver machen will. Der jetzt vorgestellte Bericht zieht eine erste Zwischenbilanz. Und die fällt aus Sicht der Senatorin positiv aus: „Mit dem Rad zu fahren findet eine größere Akzeptanz. Es ist inzwischen selbstverständlich, im Hosenanzug weite Strecken zu fahren“, so Junge Reyer. Während der Fußball-WM habe der Radverkehr in der Innenstadt um bis zu 25 Prozent zugenommen. Nach Schätzungen von Verkehrsplanern werden im Moment in Berlin rund 11 Prozent aller Wege mit dem Rad zurückgelegt.

Um den Anteil zu erhöhen, hat Rot-Rot auf ein Maßnahmenbündel gesetzt. So hat das Land Radwege neu gebaut und mit Radstreifen auf Fahrbahnen Lücken im so genannten Hauptroutennetz geschlossen – für diese wichtigen Strecken, die alle Teile der Stadt erschließen, ist die Verkehrsverwaltung zuständig. Einige davon werden ausgeschildert. Auf der Wannseeroute können Radfahrer schon seit 2005 kleinen Wegweisern folgen, im Moment sind die Strecken nach Großglienicke, Falkensee, Alt-Hohenschönhausen und Hoppegarten in Arbeit.

Der Senat setzt auch auf die Zusammenarbeit mit anderen umweltfreundlichen Verkehrsmitteln, nämlich BVG und S-Bahn. Beide Verkehrsbetriebe haben im Jahr 2005 150.000 Fahrradmonatskarten verkauft – mit steigender Tendenz. Jeder 20. S-Bahn-Kunde hebt sein Fahrrad mit in den Waggon.

Außerdem will der Senat mehr Abstellplätze für Räder schaffen. Fast 3.000 seien – vom Land gefördert – in den vergangenen Jahren an S-Bahnhöfen entstanden, so Junge-Reyer. Ab nächstem Jahr werde auch die BVG an U-Bahnhöfen, Tram- und Bushaltestellen sicheres Radparken möglich machen. Allerdings gewinnt oft ein anderes Gefährt: Am neuen Hauptbahnhof, dem luxuriösen Vorzeigebau, gibt es 160 Stellplätze für Räder, aber über 800 für Autos.

Einen Nachteil hat die zunehmende Nutzung des Rades: Die Zahl der Unfälle steigt. 2005 verletzten sich über 4.500 Radfahrer leicht im Verkehr, über 530 schwer – in beiden Fällen ist dies gegenüber 2001 ein Anstieg. Manche Gefahrenstellen ließen sich durch kleine Änderungen entschärfen, zum Beispiel das Beschneiden von Büschen oder das Umsetzen von Sichthindernissen, so Junge-Reyer.

Von 2000 bis 2005 hat der Senat 13,5 Millionen Euro für die Verbesserung der Infrastruktur locker gemacht. Touristische Radwege fördert er aus dem Topf regionale Wirtschaftsstruktur – in den Jahren 2000 bis 2007 sind das 16,7 Millionen Euro. Sie fließen etwa in den Mauerweg.

Auch wenn es im Hauptroutennetz weiter vorangeht, offenbaren sich in vielen Bezirken noch große Lücken. Denn für den Ausbau der Nebenrouten, also der Radstreifen durch die Kieze oder zum nächsten Einkaufszentrum, sind die Bezirke zuständig – und manche bummeln. „Mangel an Personal bei Tiefbauämtern und Straßenverkehrsbehörden ist ein Problem bei der Umsetzung“, heißt es im Bericht. Die meisten erarbeiten gerade ein Konzept.