: Gemeinsam gegen die Zukunftsangst
MEDIENWOCHE Öffentlich-Rechtliche, Privatsender und Verleger geben sich ungewohnt einträchtig
Dass wir das noch erleben dürfen! Nach mehr als dreijährigem Dauerzoff, der zuletzt immer mehr an eine lustlose Partie Schiffeversenken erinnerte, wollen Öffentlich-Rechtliche, Privatsender und Verleger ab sofort mal wieder miteinander statt gegeneinander reden. Springers Außenminister Christoph Keese spricht bei der Berliner Medienwoche gar von „Abrüstung“, an der „die Verlage genauso interessiert sind“. Und RBB-Intendantin Dagmar Reim bemüht für die ARD Theodor Storm: Mit dem „Mehr, mehr“ des Kleinen Hävelmann „hat es sein Bewenden: Es wird weniger werden. Sie werden es hören, Sie werden es sehen.“
Denn die ARD bastelt im Vorgriff auf die Gebührenumstellung 2013 wegen der finanziellen Schieflage einiger Sender an einer Neuaufstellung – die einer Großoperation am offenen, hier und da verfetteten Herzen gleichkommt. „Less is more“, weniger ist also mehr, und wie so viele Programmideen ist auch diese Devise bei der britischen BBC geklaut. Deren per Skype zugeschaltete Strategiechefin Carolin Thomson wartete allerdings mit drastischen Zahlen auf: Jede fünfte HierarchIn bei der Mutter aller öffentlich-rechtlichen Anstalten soll den Hut nehmen, die Kosten für das Onlineangebot und die Nachrichten sollen in den kommenden fünf Jahren um ein Viertel reduziert werden. Bis 2013 sollen 90 Prozent der Gebühreneinnahmen auch wirklich ins Programm fließen. Massives Sparen hatte der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust schon im Juli angekündigt (taz vom 6. 7.). In „zwei bis drei Monaten“, so Reim, wollen die IntendantInnen ein Ergebnis vorlegen.
Auch die Verleger haben plötzlich Kreide gefressen. Zwar brachte der Verband der Zeitschriftenverleger unlängst noch mal die Privatisierung einzelner Teile von ARD und ZDF ins Gespräch. Doch für die Branche gibt Christoph Keese zu, dass wohl weniger die Öffentlich-Rechtlichen daran schuld sind, wenn die Verlage kein funktionierendes Geschäftsmodell für Journalismus im Internet haben. Natürlich ist man bei Springer stolz auf tolle Digitalerlöse, „aber knapp 100 Prozent davon machen wir nicht mit Journalismus“, so Keese. ARD und ZDF sollten nun also bitte mithelfen, „bei Aufbau und Durchsetzen von Paid Content“. Selbst gegen die einst heiß umkämpfte „tagesschau“-App „ist eigentlich nichts zu sagen“. Und auch darüber hinaus haben alle die künftig anstehenden Probleme – vom Urheber- und Leistungsschutzrecht bis zum diskriminierungsfreien Zugang im Netz und auf multimedialen Plattformen – ja alle irgendwie gemeinsam, „mehr Einigendes als Trennendes“, sieht auch der Privatsenderverband VPRT.
Für die Politik nahm der neue NRW-Medienstaatssekretär Marc-Jan Eumann den schwarzen Peter „als Herausforderung“ an und setzte noch mal einen drauf: Bei aller Transparenz der IntendantInnen, die bis auf eine Ausnahme in Bayern über ihr Gehalt reden, sei die ARD doch die „am wenigsten kontrollierte Institution, wenn es um die Verwendung öffentlicher Gelder geht“. Und noch ein Problem: „Es gibt auch in der ARD mittlerweile ein Prekariat“ – womit in Berlin vor allem der RBB gemeint ist. Allein: Die Wortwahl gefiel Dagmar Reim nicht, und beinahe wäre die neue Harmonie nicht ganz ohne Kratzer geblieben. Doch die RBB-Chefin beschwor noch mal die neue „Weniger ist mehr“-Formel – nicht ohne hinzuzufügen, dass es in der ARD keine weiteren Anstaltsfusionen geben werde.
Dass „less“ irgendwie „more“ sein muss und im Trend liegt, beweist übrigens auch der Branchenkongress selbst: Die Berliner Medienwoche hat am Montag angefangen und dauert noch bis – ähem: Dienstag. Macht exakt zwei Tage. STEFFEN GRIMBERG