: Kurzer Prozessauftakt
JUSTIZ Kachelmann-Anwalt hält zwei der Richter für befangen und erwirkt eine Vertagung auf Montag
Der angebliche „Strafprozess des Jahres“ kam nicht weit. Kaum war die Verhandlung gegen Wettermoderator Jörg Kachelmann am Montag eröffnet, wurde sie auch schon vertagt. Kachelmanns Anwalt Reinhard Birkenstock hatte einen Befangenheitsantrag gegen zwei Richter des Landgerichts Mannheim gestellt. Dutzende von Journalisten, die aus ganz Deutschland und der Schweiz angereist waren, zogen lange Gesichter und mussten wieder nach Hause fahren.
Der Befangenheitsantrag richtete sich gegen den Vorsitzenden Michael Seidling und die Beisitzerin Daniela Bültmann. Zum Inhalt des 67-seitigen Schriftsatzes wollte der Anwalt öffentlich nichts sagen, allerdings wird schon seit Wochen über eine eventuelle Befangenheit von Seidling spekuliert. Hintergrund ist eine mögliche Bekanntschaft Seidlings mit dem Vater von Sabine W. (Name geändert), der Exfreundin Kachelmanns, die dieser Anfang Februar vergewaltigt haben soll.
Vater W. war bis 2007 Vorsitzender des TV Schwetzingen, Michael Seidling ist zweiter Vorsitzender des TSV Oftersheim. Beide Orte grenzen aneinander, die Vereine kooperieren. Sabine W. war früher als Leichtathletin aktiv. Als Richter Seidling von der Schweizer SonntagsZeitung auf den Sachverhalt angesprochen wurde, sagte er nach deren Darstellung: „Ich kenne weder den Vater noch das Opfer, es gibt keine Nähe zwischen uns.“ Kachelmann-nahe Beobachter glauben das nicht und sprechen von einem „lokalen Klüngel“. Dass Seidling dabei von „Opfer“ und nicht vom „mutmaßlichen Opfer“ sprach, zeige ebenfalls seine Voreingenommenheit.
Zumindest der Befangenheitsantrag gegen Seidling könnte Erfolg haben. Laut Gesetz genügen dafür bereits Umstände, die „Misstrauen gegen die Unparteilichkeit“ rechtfertigen. Das dürfte der Fall sein, wenn ein Richter aus dem sozialen Umfeld des mutmaßlichen Opfers über einen ausländischen Angeklagten zu Gericht sitzt. Was Richterin Bültmann vorgeworfen wird, ist bisher nicht ersichtlich.
Über die Befangenheitsanträge entscheidet die Strafkammer nun jeweils ohne die abgelehnten Richter. Das Ergebnis wird am nächsten Montag verkündet. Falls die Anträge abgelehnt werden, kann gleich die Anklage verlesen werden und dann Jörg Kachelmann mit seiner Aussage beginnen. Sollten sie Erfolg haben, müssten Ersatzrichter nachrücken. Einer saß gestern vorsorglich bereits auf der Richterbank.
Neben Kachelmann war gestern überraschend auch die Nebenklägerin Sabine W. erschienen. Auf dem Presseplatz vonBild saß Alice Schwarzer. Sie gab mehr Interviews als alle Anwälte zusammen. CHRISTIAN RATH