Dienliche Schriften

TARABYA-PREIS Für Deutsch-Türkisch-Übersetzer

Brücke war das Wort des Abends am Mittwoch in der türkischen Botschaft in Berlin. Die Verleihung des Übersetzerpreis Tarabya im Rahmen der Ernst-Reuter-Initiative des Auswärtigen Amtes wurde immer wieder zur „Brücke zwischen dem deutschen und dem türkischen Staat“ ausgerufen, die Übersetzer nannte man die „Brücken der Kulturvermittlung“.

„Die inflationäre Verwendung dieses Wortes muss man uns verzeihen,“ setzt die umstrittene türkische Bestseller-Autorin Ayse Kulin ihre Laudatio auf die Preisträgerinnen Monika Demirel (übersetzte unter anderen Alper Cangüz ins Deutsche) und Ute Birgi-Knellessen (die Nedim Gürsel übersetzte) an. „Vor allem wir Istanbulerinnen überqueren vielleicht täglich die Brücke zwischen Europa und Asien und bekommen zu spüren, was die Türkei für diese Welt bedeutet: ein Schnittpunkt.“ Kulin, die kundgab, lieber fünf Romane in Folge zu schreiben, als einen einzigen übersetzen zu müssen, hatte kürzlich im türkischen Fernsehen den Völkermord an den Armeniern geleugnet und sich damit zum Ziel eines Boykottaufrufs gemacht.

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Überhaupt sieht und hört man ja in den türkischen Medien derzeit genauer hin, zumal durch den Abhörskandal um Premier Erdogan die politische Lage im Land noch angespannter geworden ist. Im imposanten Neubau in der Tiergartenstraße, das auf angenehm wenig Ornament und viel Glas setzt, ist von Umsturzstimmung allerdings wenig zu spüren.

Einmal nur ertönt Kritik, und zwar in der Danksagung der Hauptpreisträgerin Sezer Duru (übersetzte Enzensberger, Böll, Frisch und vor allem Thomas Bernhard ins Türkische): „Ich wünsche mir, in einem Rechtsstaat zu leben, in dem man nicht zu sechs Jahren Haft verurteilt werden kann, weil man einen Roman von Guillaume Apollinaire herausgibt“, sagt Duru und erntet Applaus. Die Übersetzerin deutet das Schicksal des kurzzeitig inhaftierten und erneut angeklagten Verlegers Irfan Sanci an, der das Werk des französischen Schriftstellers gegen den Obszönitätsparagrafen verteidigen muss.

Außerdem ausgezeichnet wurden der erst 27-jährige Mahmud Sami Türk sowie Tanil Bora, der Habermas, Bloch und Marx übersetzt hat, also der „Demokratisierung dienliche Schriften“, wie es der Lyriker und Diplomat Joachim Sartorius schön formulierte. FATMA AYDEMIR