: Kontrolle ja, Steuern nein
EU Finanzminister vereinbaren abgestimmte Haushalte und europäische Finanzaufsicht. Bei der Finanztransaktionssteuer stößt Wolfgang Schäuble hingegen auf Widerstand
PETER WAHL (WEED) ÜBER KRITIK AN FINANZSTEUER
AUS BRÜSSEL DANIELA WEINGÄRTNER
Ein Anfang ist gemacht: Die europäischen Finanzminister haben sich am Dienstag darauf geeinigt, ab 2011 ihre Haushaltspolitik enger abzustimmen. Zu Beginn jedes Jahres wird die Kommission eine Wachstumsprognose vorlegen. Im Sommer müssen dann die nationalen Haushaltspläne bei der EU-Kommission eingereicht werden. Stimmen die Wachstumserwartungen nicht oder sind zu hohe Schulden eingeplant, kann die Behörde eine Korrektur verlangen. Auch Sanktionen sind möglich. „Uns interessiert nicht jeder einzelne Haushaltsposten“, versuchte Währungskommissar Olli Rehn Skeptiker zu beruhigen. „Es geht um den Haushalt als Ganzes und um die Balance zwischen Einnahmen und Ausgaben.“
Die Einigung wurde sicher dadurch erleichtert, dass die Details der Prozedur erst noch ausgehandelt werden. Die britische Regierung etwa vertritt die Überzeugung, sie veröffentliche ja ohnehin jedes Jahr die Rahmendaten des Budgets für das Folgejahr. Die könnten auch die Beamten in Brüssel lesen, und das sei Wirtschaftskoordination genug.
Im Grundsatz beschlossen sind auch die neuen Überwachungsbehörden für Banken, Versicherungen und Börsen. Das EU-Parlament hatte durchgesetzt, dass bei grenzüberschreitenden Kreditunternehmen die europäische Agentur gegenüber den nationalen Aufsichtsgremien das letzte Wort haben soll.
Beim Thema Finanztransaktionssteuer (FTT) konnten sich die Minister hingegen nicht einmal im Ansatz einigen. Finanzminister Schäuble warb gestern noch einmal leidenschaftlich für das Instrument, das nach seiner Auffassung nicht nur Geld in die öffentlichen Kassen spült, sondern auch schnelle, hochspekulative Geschäfte an den Börsen weniger attraktiv macht. Diese Überzeugung teilt der Minister mit seiner französischen Kollegin Christine Lagarde und mit linken Kritikern des globalen Finanzkasinos. Die EU-Kommission hingegen warnte in einem Gutachten, eine solche Steuer könne Pensionsfonds verteuern und damit die Altersversorgung kleiner Leute beeinträchtigen.
Für Peter Wahl von der Nichtregierungsorganisation Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung (Weed) ist diese Behauptung „kalter Kaffee und längst widerlegt“. Mit der FTT werde nicht der Wert eines Vermögenstitels besteuert, sondern der Handel mit ihm. Wer einen Vermögenswert für einen relativ langen Zeitraum erwerbe und seine Erwartungen auf die langfristige Kursentwicklung gründe, werde dagegen kaum belastet. Im Gegenteil – diese Investoren würden von mehr Stabilität auf den Märkten profitieren.
Der für Steuerfragen zuständige EU-Kommissar Algirdas Semeta wiederholte, was bereits in seinem Gutachten steht: Die Auswirkungen einer solchen Steuer auf den Finanzmarkt müssten sorgfältig analysiert werden. Er befürwortet ganz klar eine „Finanzaktivitätssteuer“, die nicht die Finanztransaktion des jeweiligen Investors, sondern die Gewinne der Banken belastet.
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