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Archiv-Artikel

Vattenfall setzt auf kleine Lösung

Der Betreiber des Atomreaktors Forsmark will die Schwachstellen durch Nachjustieren beheben. Für den Störfall seien aber AEG und menschliche Fehler verantwortlich

STOCKHOLM taz ■ Ursache für den Beinahe-GAU in dem schwedischen Atomkraftwerk Forsmark am 25. Juli war „eine Fehlerkette, die sich unerwartet über mehrere Barrieren hinweg fortpflanzte“. Das schreibt der Reaktorbetreiber, der Energiekonzern Vattenfall, in seinem erst jetzt und auch nur teilweise veröffentlichten Störfallbericht.

Ausgangspunkt der Fehlerkette soll ein Kurzschluss in der äußeren Stromversorgung gewesen sein, den die Vattenfall-Experten auf „in mehrfacher Hinsicht nicht korrekt durchgeführte“ Arbeiten zurückführen – und damit auf menschliche Fehler. Durch Fehlkopplungen an einem Stellwerk hätten Arbeiter der Stromnetzfirma einen Lichtbogen mit anschließendem Kurzschluss verursacht, der die Stromversorgung des Reaktors lahmlegte. Damit wurde die automatische Schnellabschaltung ausgelöst. Die interne Stromversorgung, die den Betrieb der Kühlpumpen sicherstellen sollte, sei jedoch nicht ordnungsgemäß in Gang gekommen. Grund – also Fehlerquelle Nummer zwei – war, dass bei Servicearbeiten im Jahr 2005 Plus- und Minuspol von Komponenten vertauscht worden waren. Aufgefallen war dies bis dato nicht, weil sie nie getestet worden waren. Als dritte und zentrale Fehlerquelle nennt Vattenfall eine von AEG gelieferte Anlage zur unterbrechungsfreien Stromversorgung, eine so genannte USV. Diese hatte die Stromspannungen, die als Folge der vorausgegangenen Fehlfunktionen auftraten, nicht verkraftet. Die Sicherungen flogen raus. Deshalb kamen nur zwei der vier Hilfsgeneratoren in Gang.

Warum die USV die Spannungen nicht aushielt, ist nach wie vor umstritten. In einer Presseerklärung behauptet AEG Power Supply Systems, die Anlage habe „im Rahmen der vorgegebenen Spannungsgrenzwerte einwandfrei funktioniert“. Laut Vattenfall haben Tests jedoch ergeben, dass die USV nur bei einem Intervall zwischen 85 und 110 Prozent der nominellen Stromspannung problemlos laufe. Bei dem Störfall war die Spannung schnell von einem relativ niedrigen auf ein sehr hohes Niveau von rund 120 Prozent gestiegen.

Vattenfall will es sich nun einfach machen: Der Reaktor soll mehr verkraften als bisher. Der Energiekonzern schlägt der Atomaufsichtsbehörde SKI vor, den Spannungsgrenzwert neu auf eine Spitzentoleranz von 120 Prozent einzustellen. Unklar ist jedoch, ob das tatsächlich am 25. Juli den USV-Ausfall verhindert hätte. Kritiker sehen in solchen technischen Manipulationen an einem drei Jahrzehnte alten Reaktor das grundsätzliche Problem, ob tatsächlich alle betroffenen Elemente derartige kurzeitige Stromüberspannungen schadlos überstehen können. Oder man sich damit nicht weitere Schwachstellen und damit die Grundlage für neue Fehlerketten einbaut.

Die Atomaufsichtsbehörde SKI, die den Vattenfall-Rapport nun zur Grundlage ihrer Analysen machen will, greift diese Problematik in einer ersten Erklärung auf: Die Einschätzung, „welcher kräftigste elektrische Impuls durch das System denkbar“ sei, werde darüber zu entscheiden haben, „wie der Schutz der verschiedenen Komponenten in den Sicherheitssystemen ausgestaltet werden muss“, heißt es dort.

Die Behörde droht aber auch mit grundlegenden Konsequenzen: So müssten die bisherigen technischen Zusammenhänge zwischen den Sicherheitsfunktionen in Frage gestellt werden. Man werde also zu untersuchen haben, ob tatsächlich alle Sicherheitssysteme so unabhängig voneinander funktionierten, wie man bislang angenommen habe. Und zwar bei allen – auch den derzeit nicht stillgelegten – schwedischen Reaktoren und in internationaler Zusammenarbeit. REINHARD WOLFF