: Vielfalt will gelernt sein
STUDIUM Durch das neue „Zentrum für Bildungsintegration“ will die Uni Hildesheim angehende LehrerInnen besser auf das Spektrum kultureller Unterschiede im Klassenzimmer vorbereiten
VON BIRK GRÜLING
In Deutschland kommt heute jedes dritte Kind unter fünf Jahren aus einer Einwandererfamilie. Damit sich das Bildungssystem an die damit einhergehenden Veränderungen anpassen kann, hat die Uni Hildesheim Mitte Februar ein „Zentrum für Bildungsintegration – Diversity und Demokratie in Migrationsgesellschaften“ gegründet.
„Das neue Zentrum für Bildungsintegration leistet einen wichtigen Beitrag zum Abbau der Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund“, sagte Gabriele Heinen-Kljajic, niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur anlässlich der Zentrums-Gründungskonferenz. Zusammen mit Partnerhochschulen aus Kanada, den USA, Israel und der Türkei wollen sich die Hildesheimer Forscher systematisch mit Chancengleichheit und Teilhabe von MigrantInnen in Bildungssystemen auseinandersetzen.
Bei empirischen Studien und einem Promotionskolleg soll es dabei aber nicht bleiben. „Geplant ist die Verbindung von Theorie, Lehre und Praxis. Wir wollen unsere Forschungsergebnisse in die Lehrerausbildung und die Gestaltung von Schulbüchern tragen“, so Viola Georgi, Professorin für Diversity Education. In der Ausbildung von Grund- und MittelschullehrerInnen beschäftigt sich die Hochschule bereits mit interkulturellem Lernen. Künftig will man das Angebot aber für alle Lehramtsstudierenden ausbauen und so die angehenden Lehrkräfte besser auf Mehrsprachigkeit und kulturelle Vielfalt im Klassenzimmer vorbereiten sowie die Zusammenarbeit mit den Eltern erleichtern.
Wie notwendig das ist, zeigt eine im Dezember vorgestellte Studie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Vor allem mangelnde Kenntnisse der Eltern über das deutsche Bildungssystem sowie bestehende Vorurteile bei Schulen und Behörden verzögern danach den Bildungsweg von MigrantInnen. Umwege, Schleifen und Neuorientierungsphasen seien für Schüler mit Migrationshintergrund normal, heißt es in der Erhebung mit dem Titel „Bildung, Milieu, Migration“. Es werde verstärkt von struktureller Diskriminierung und Rassismus gesprochen, etwa wenn es um die Schulempfehlungen in die Sekundarstufe gehe, sagt auch Georgi. „Es kommt viel häufiger vor, dass Kinder aus Einwandererfamilien eine Klasse wiederholen als Kinder ohne Migrationshintergrund.“
In Deutschland steht die gezielte Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Kulturen und Sprachen im Bildungssystem noch am Anfang. In anderen Ländern ist man deutlich weiter. In Kanada sind Sprachförderung und „Englisch als Zweitsprache“ Pflichtfächer für alle LehramtsstudentInnen. Auch in Norwegen hat das interkulturelle Lernen eine tiefe Verankerung in der Lehrausbildung. So stehen andere Religionen und Landesbräuche genauso auf dem Lehrplan wie der richtige Umgang mit Mehrsprachigkeit. Georgi sieht in Deutschland erste positive Ansätze: „Im Deutschunterricht lesen wir neben Goethe und Wolf schon Özdamar, Zaimoglu oder Schami.“