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Archiv-Artikel

Ein grünes Schiff wird kommen

LOGISTIK Maritimer Umweltgipfel: Schiffe sollen künftig sauberer werden. Aber Reeder und Industrie attackieren schärfere Umweltauflagen für das Schippern auf Nord- und Ostsee

Technisch ist ein emissionsarmer Seetransport möglich, aber es mangelt an Vorgaben

AUS HAMBURG HERMANNUS PFEIFFER

Die internationale Schifffahrt will etwas sauberer werden. Das wurde auf dem weltweit ersten internationale Umweltgipfel der maritimen Industrie deutlich, der gestern nach zwei Tagen in Hamburg zu Ende ging. Die Branche verspricht, ehrgeizige Ziele für Umweltschutz und Nachhaltigkeit anzupeilen, und sie will sogar über die politischen Normen hinaussegeln: „Wir sind dazu verpflichtet, mehr zu leisten, als die gesetzlichen internationalen Umweltvorgaben verlangen“, sagte Micky Arison, Chef des globalen maritimen Umweltkongresses und Boss des US-Kreuzfahrtriesen Carnival. Widerspruch kam aber auch aus der eigenen Branche. Reeder und Industrieverband BDI attackieren in einem Brief an die EU-Kommission verschärfte Grenzwerte auf Nord- und Ostsee.

Für Klima und Umwelt ist die hohe See ein zentrales Thema. Drei Viertel der Erdoberfläche sind mit Salzwasser bedeckt, 90 Prozent des internationalen Handels wird per Schiff transportiert. Und die Seefahrt bleibt ein globales Schwergewicht, erwartet der finnische Multi Wärtsilä in seinem „Schifffahrtsszenario 2030“. So könnte beispielsweise frisches Trinkwasser als neues Massengut die Seefahrt bald antreiben. Das Problem: Schiffe fahren zwar schon heute pro Tonnenkilometer weit sauberer als Bahn, Flieger oder Laster. Doch die 50.000 großen Pötte auf den Weltmeeren tragen absolut erheblich zur Umweltverschmutzung bei, da sie weitgehend durch hoch belastetes, aber billiges Schweröl angetrieben werden.

Diskutiert wird nun das „grüne Schiff“. Technisch ist ein emissionsarmer Seetransport bereits möglich, auch dies belegt das Wärtsilä-Szenario. Ein Windantrieb per Flettner-Rotor, der Einsatz von Biogas aus Algen, die Aufbereitung des Ballastwassers oder Müllsammelstellen an Bord sind machbar. Auch über Schiffsantriebe mit verflüssigtem Erdgas wird nachgedacht; im Vergleich zu Schweröl enthält es weniger Schwefel, und beim Verbrennen wird weniger klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) freigesetzt. Woran es fehlt, sind strengere politische Vorgaben und damit das ökonomische Interesse, das Machbare Wirklichkeit werden zu lassen.

So regt sich in der Industrie Widerstand gegen das grüne Schiff. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Reeder-Verband und 50 Wirtschaftsverbände aus Europa attackieren in einem Brief an die EU-Kommission die verschärften Grenzwerte für Ruß und Schwefel auf Nord- und Ostsee. Ab 2015 sollen dann sogar Grenzwerte von maximal 0,1 Prozent Schwefel gelten – bis 2010 waren es 1,5 Prozent. Ihr Argument: Steigende Kosten würden Transporte auf die Straße verdrängen.

Nabu-Chef Alexander Porschke beklagt hingegen den „ökologischen Rückwärtsgang von Industrie und Reedern“. Umweltverbände und Gewerkschaften wurden daher aktiv. In einer von der IG Metall und dem Naturschutzbund Nabu gestarteten Initiative fordern sie von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso die Beibehaltung des für 2015 festgelegten niedrigen Schwefelgrenzwertes sowie eine Ausweitung der Schwefelemissionsüberwachungsgebiete auf das gesamte Mittelmeer, das Schwarze Meer und die europäischen Atlantikküsten.

Zudem regt sich auch in der Industrie Widerstand gegen den BDI-Widerstand. Werftverband VSM und die Maschinenbauer im VDMA diskutieren eigene Brandbriefe an Barroso, die auf eine Unterstützung der IG-Metall-Nabu-Initiative hinauslaufen. Sie versprechen sich durch nachdrückliche politische Vorgaben einen Innovationsschub und neue Aufträge.