: Versace und Donuts
KONZERT Der kanadische Rapper Drake sorgt in der O2-World für euphorisches Kreischen – und hat zum Schluss noch eine große Überraschung parat
Die neunziger Jahre sind zurück. Jetzt aber so richtig. Knallige Haarfarben, enge Lederhosen, Creolenohrringe, Tupac-Shirts, Tattoos in Schnörkelschrift. Die 18- bis 25-jährigen Konzertbesucher in der O2-World haben sich am Donnerstag ganz schön rausgeputzt für den Star des Abends, der später auf einzelne Personen im Publikum zeigen und ihren Style würdigen wird. „Gibt es hier einen Merchandise-Stand?“, frage ich die junge Dame an der Currywurstbude. „Möhrchen was?“, fragt sie skeptisch. „Na, Band-T-Shirts und so“, erkläre ich. Sie weiß es nicht, aber ich finde ihn trotzdem.
Der kanadische Rapper Drake, der sich seit seinem ersten Album „Thank Me Later“ (2010) zu einem der beliebtesten Popidole weltweit entwickelt hat, betreibt auch ein Modelabel mit dem schönen Namen October’s Very Own und hat ein paar seiner Kreationen mitgebracht. Die auffälligste ist ein schwarzes, mit arabischer Schrift verziertes Bandana. Es nennt sich Flandana, weil es mit Fleece gefüttert ist, und steht praktisch für das, was Drake verkörpert: auf der einen Seite weich und kuschelig, auf der anderen rau wie der Hustler von der Straßenecke.
Eher unspektakulär und einige Dezibel zu laut eröffnet The Weeknd als Voract das Konzert. Der 24-jährige R&B-Singer-Songwriter stammt wie Drake ebenfalls aus Toronto und wird von den Feuilletons für seine düsteren Liebeslieder gefeiert. Auf der Bühne einer Mehrzweckhalle allerdings verlieren seine Songs jegliche Subtilität und damit auch ihren Charme. Es folgen 45 Minuten Umbauzeit, in denen ein DJ dem Publikum mit Lil-Wayne-Songs einheizt. Als der Raum endlich verdunkelt wird, erleuchtet ein Meer aus Handylichtern die O2-World. Die Generation Smartphone war nicht dabei, wenn sie es nicht aufgezeichnet hat. Manche Besucher werden das gesamte Konzert über ihr Display verfolgen.
Weißer Anzug, Goldkette
Das Bühnenset besteht aus zwei metallfarbenen Riesendonuts. Allein das Erscheinen von Drakes schwarzer Silhouette auf Donut Nummer eins sorgt für euphorisches Kreischen. Er trägt einen weit geschnittenen weißen Herrenanzug und eine Goldkette. Nach einem eher gemächlichen Einstieg folgt der Song „Headlines“, zu dem die Zuschauer zu bouncen beginnen. „Money over everything, money on my mind“, rappt uns Drake repetitiv zu. Die Dramaturgie ist klar: Jetzt wird es immer schneller und härter, bevor die langsamen Stücke kommen. Und dann geht’s noch mal richtig ab.
Im Loch des unteren Donuts sitzt eine dreiköpfige Band, die die vom Band laufenden HipHop-Beats live verstärkt. Auf der Leinwand dahinter laufen seltsame Animationen, die an die Visuals des Windows Media Player erinnern. Dann gibt es Nachtaufnahmen von US-Großstädten, in die auch ein Bild von Berlin montiert wurde. Drake gibt alles, hüpft und tanzt ekstatisch über die Bühne und schafft die Übergänge zwischen rappen und singen ganz unbeschwert.
Links oben zündet jemand eine Tüte an. Der Duft von Hollandgras zieht vorbei. Neben den aktuellen Hits „Started from the Bottom“ und „Worst Behaviour“ feiert das Publikum auch exzessiv zu älteren Songs wie „Over“ ab, besonders zu einem Lied, in dessen Refrain das Wort „Versace“ sechsmal in Folge wiederholt wird. Am eindrucksvollsten aber sind die romantischen Momente. Denn in ihnen zeigt sich, warum Drake so vielen jungen Menschen aus dem Herzen spricht. „Don’t think about it too much“, besänftigt er uns in seinem makellosen Gesang. Bei „Hold On, We’re Going Home“ holt er eine sichtlich verliebte Zuschauerin auf die Bühne, gibt den Ladylover und küsst ihren Hals. Neidisch kreischt es wieder.
Gerade als man denkt, die Show sei vorbei, kommt unvermittelt ein Gast auf die Bühne. Man hört die Stimme, aber glaubt es erst, als das Gesicht auf dem riesigen Screen eingeblendet wird. Er ist es: US-Rapper Kanye West performt seinen Song „Black Skinhead“. Nach einem kurzen Schockmoment flippt die Menge aus. Völlig zu Recht. Die Überraschung ist wirklich gelungen. FATMA AYDEMIR