: „Ich war parteilos“
Ein investigatives TV-Magazin hätte Heribert Faßbender gerne noch gemacht. Ansonsten hat der scheidende WDR-Sportchef mit dem charakteristischen Bart über so ziemlich alles berichtet. Sogar über nordrhein-westfälische Landespolitik
INTERVIEW HOLGER PAULERUND MARTIN TEIGELER
taz: Herr Faßbender, 60 Jahre NRW. Der Landesname klingt ja schon wie ein Fußballverein: BVB, S04, NRW. Sind Sie also ein Fan dieses Landes?Heribert Faßbender: Ich bin gebürtiger Rheinländer und fühle mich auch so. Aber ich mag auch die Westfalen und Lipper und lebe gern hier. Das habe ich immer wieder neu festgestellt, wenn ich von meinen Auslandsreisen zurück an den Rhein kam. Wir in Nordrhein-Westfalen leben in einem spannenden, schönen Bundesland.
Sie waren früher auch politischer Journalist. Muss man da neutral sein wie ein Sportreporter?Ich war und bin parteilos. 1979 wurde ich festangestellt und Leiter des WDR Fernsehlandesstudios in Düsseldorf mit dem Auftrag, innerhalb von drei Monaten die erste landespolitische Sendung auf den Schirm zu bringen, die wir „Blickpunkt Düsseldorf“ nannten. Mit unserem kleinen Redaktionsteam haben wir auch heikle Themen investigativ aufgegriffen – wie zum Beispiel den „Neue Heimat“-Skandal.
Aber für NRW-Landespolitik interessieren sich weniger Zuschauer als für die Bundesliga.Wir hatten damals das Glück, mit „Blickpunkt Düsseldorf“ samstags abends direkt nach der „Sportschau“ um 19.00 Uhr auf dem ersten Kanal im WDR-Regionalfenster zu laufen. Solche Einschaltquoten haben vergleichbare Sendungen später nie mehr erreicht. Ab und zu haben wir die landespolitische Berichterstattung mit Unterhaltungselementen garniert. Bei uns hat beispielsweise der damalige SPD-Finanzminister Diether Posser am Klavier gespielt: „Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück.“ Damals war die Lage der öffentlichen Kassen noch nicht ganz so angespannt wie heute.
Der WDR galt damals als SPD-dominiert. Waren Sie auch ein Rotfunker?Nach meiner Auffassung war der WDR damals genauso wenig Rotfunk wie heute das Gegenteil. Ich habe in meinem Leben zu unterschiedlichen Zeiten den verschiedenen Parteien unterschiedlich fern gestanden. Wie unabhängig ein Journalist ist, hängt von ihm selbst ab. In den drei Jahren meiner Studioleiter-Tätigkeit hat es von keiner Partei Pressionen auf unsere Berichterstattung gegeben.
Warum haben Sie die Politikberichterstattung 1982 wieder verlassen und das Angebot angenommen, WDR-Sportchef zu werden?Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen. Die drei Jahre Studioleiter-Tätigkeit in Düsseldorf haben mich geprägt. Nicht Wenige haben mir geraten, in Düsseldorf zu bleiben. In der Kölner WDR-Zentrale war aber Not am Mann, weil der WDR den damaligen Sportchef suspendiert hatte und bereits andere ARD-Sender Begehrlichkeiten auf die in Köln produzierte „Sportschau“ erkennen ließen. Nach reiflicher Überlegung bin ich dem Wunsch des Intendanten Friedrich-Wilhelm von Sell gefolgt. Das habe ich bis heute nicht bereut.
Seit 44 Jahren berichten Sie erst im WDR-Hörfunk, später im Fernsehen vor allem über Fußball. Was ist die wichtigste Veränderung über die Jahrzehnte?Der Spitzenfußball hierzulande ist längst zu einem knochenharten Geschäft geworden. Der Druck auf Vorstände, Vereine und Spieler hat erheblich zugenommen, seit dem soviel Geld im Spiel ist. Dafür gibt es wunderbare Fußball-Arenen, die wir in den 60er Jahren auch gerne gehabt hätten. Ich erinnere mich noch an die Zeit, als ich auf dem baufälligen Dach der Schalker Glückauf-Kampfbahn meine Reportagen machen musste, vom Reporterplatz auf dem Toilettenhäuschen des Erkenschwicker Stimmberg-Stadions ganz zu schweigen.
In den 80ern hatten die Reporter im WDR noch Wiedererkennungswert. Warum hören sich die Stimmen in der Bundesliga-Konferenz am Samstag heute fast alle gleich an?Ich will hier nicht den Oberlehrer geben. Vielleicht wird heute nicht mehr so viel Wert auf markante Stimmen gelegt, wie sie unsere Vorbilder Kurt Brumme oder Herbert Zimmermann hatten. Auch heute gibt es im WDR-Hörfunk noch richtig gute Typen wie Manni Breuckmann.
War es eine Genugtuung für Sie, dass die TV-Bundesligaberichterstattung seit 2003 wieder von der „Sportschau“ gemacht wird?Die Zeit war wieder reif dafür, nachdem sich Showtreppe und überanimiertes Studiopublikum bei SAT.1 überlebt hatten. Auch die Bundesliga-Klubs wünschten sich das Comeback der „Sportschau“. Mein Konzept war und ist: Kompakt, kompetent, kurzweilig und ohne Firlefanz. Allerdings gebietet es die Fairness, darauf hinzuweisen, dass zunächst Premiere und dann auch RTL und SAT.1 produktionstechnisch neue, wesentlich aufwändigere Maßstäbe gesetzt haben, hinter die wir nicht mehr zurückgehen wollten und konnten. Im Gegenteil: Die „Sportschau“ ist heute die modernste und technisch aufwändigste Sportseriensendung.
Sie haben 1998 Günter Netzer als Fußballexperten zur ARD geholt. War es nie ein Problem, dass er den deutschen Fußball journalistisch begleitet und zugleich Mitinhaber einer TV-Rechtefirma ist?In der Praxis hat Günter Netzer seine Rollen ausnahmslos klar und glaubwürdig getrennt. Ihn zu verpflichten, war die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit. Schon bei der WM in Frankreich hat er zusammen mit Gerhard Delling einen brillanten Job gemacht. Die beiden haben sich gesucht und gefunden. Sie werden uns als Duo mindestens bis zur EM 2008 erhalten bleiben.
Netzer kannten Sie noch aus seiner Zeit als Spieler in Mönchengladbach. War das Verhältnis zwischen Fußballern und Reportern früher enger?Auf jeden Fall unproblematischer. Ich konnte zum Europa-Cup-Halbfinale zwischen West Ham United und Borussia Dortmund 1966 im Mannschaftsbus zwischen Lothar Emmerich und Siggi Held durch London fahren. Heute ist für meine jungen Kollegen der Zugang zu Spielern und Stadien von der DFL streng reglementiert.
Sie haben über Olympische Spiele, Welt- und Europameisterschaften berichtet. Haben Sie auch mal irgendetwas nicht gemacht?Für den Reporter blieb kein Wunsch offen. Als Redaktionsleiter hätte ich noch gern ein investigatives TV-Magazin gemacht, so eine Art „Monitor“ für den Sport. Aber das war aus verschiedenen Gründen im Programm nicht unterzubringen.
Sie waren oft Ziel von Satire. taz-Autor Jürgen Roth hat beispielsweise das Buch „So werde ich Heribert Faßbender“ geschrieben. Ärgern Sie sich noch darüber?Rückblickend kann ich darüber schmunzeln. Je bekannter man ist, desto schärfer ist der Gegenwind. In der ersten Hälfte meiner Laufbahn habe ich mich über Auszeichnungen freuen können, wie das „Goldene Mikrofon“ oder den „World Sports Award“, dazu positive Umfrage-Ergebnisse. Aber: Niemand bleibt über mehr als vier Jahrzehnte ohne Kritik. Im US-Fernsehen haben übrigens die Moderatoren, die stark polarisieren, den höchsten Marktwert.
Was machen Sie, wenn Sie im September in Rente gehen?Zunächst einmal eine Asien-Reise, die ich meiner Frau versprochen habe. Nach unserer Rückkehr nimmt meine kleine Consulting Company ihre Tätigkeit auf. Sicher werde ich das eine oder andere schreiben, vielleicht auch meine Erinnerungen an vierundvierzigeinhalb Jahre mit Mikrofon und Kamera. Arbeitstitel: Guten Abend allerseits.