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Archiv-Artikel

Klaus Wowereit hat die Wahl

Obwohl die SPD mit der PDS fünf Jahre erfolgreich regiert hat, wird ein Bündnis mit den Grünen immer wahrscheinlicher

von UWE RADA

Volker Ratzmann hat gut lachen. Beim Wahlkampfauftakt der Grünen in Prenzlauer Berg zeigt der Fraktionsvorsitzende der Grünen sein Blackberry herum. In einer Mail ist die jüngste Umfrage von Infratest/dimap zu sehen: „Rot-Rot und Rot-Grün liegen drei Wochen vor der Wahl gleichauf.“ Den Grünen werden 16 Prozent prognostiziert – damit haben sie mit der Linkspartei/PDS gleichgezogen. Sowohl Rot-Rot als auch Rot-Grün hätten, so die Umfrage vom Donnerstag, 48 Prozent und damit die absolute Mehrheit. Und Klaus Wowereit hat die Wahl: weitermachen wie bisher mit der PDS – oder das erste rot-grüne Bündnis nach dem Ende der Regierung Schröder.

Was Ratzmann mindestens genauso freut wie die Umfrage ist der Stimmungsumschwung, den man derzeit in der SPD beobachten kann. Vor kurzem noch hat der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Christian Gäbeler, die Grünen kurzerhand für „nicht regierungsfähig“ erklärt. Doch das ist Schnee von gestern. „Entscheidend ist, mit welchem Koalitionspartner man sich auf die wichtigsten Positionen für die nächsten fünf Jahre verständigen kann“, sagt der erfahrene SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller, der schon die erste rot-grüne Koalition vor der Wende im Amt erlebt hat. Dass man mit der PDS in der Vergangenheit gute Erfahrungen gesammelt habe, spiele da nicht unbedingt eine Rolle. „Mit den Grünen können wir genauso gut ausloten, zu welchen Vereinbarungen wir kommen können.“

Vor allem das grüne Spitzenpersonal hält man bei den Sozialdemokraten für ministrabel. Das gilt sowohl für Franziska Eichstädt-Bohlig als auch für Volker Ratzmann, Wolfgang Wieland oder Sibyll Klotz. Nicht so begeistert sind manche SPD-Genossen dagegen vom Personal des Koalitionspartners. Zwar erfreut sich PDS-Spitzenkandidat und Wirtschaftssenator Harald Wolf großer Zustimmung auch in der SPD. Doch einen Kultursenator Thomas Flierl wollen viele Sozialdemokraten nicht mehr im Senat sehen. „Das wäre den meisten Sozialdemokraten nicht mehr vermittelbar“, sagt ein einflussreicher SPD-Funktionär.

Nicht nur Flierls zögerliches Eintreten gegen alte Stasi-Kader stößt den Sozialdemokraten bitter auf. Auch der Politikstil des Kultursenators steht in der Kritik. „Das ist nicht offen und transparent. Kommunikation sieht anders aus“, sagt ein SPD-Mann. Zuletzt war Flierl wieder in der Kritik, weil er die Rückgabe eines Gemäldes von Ernst Ludwig Kirchner quasi im Alleingang ausgehandelt hat. Beim Koalitionspartner hat er sich damit nicht unbedingt Freunde gemacht.

Gleichwohl gilt das rot-rote Bündnis in der SPD noch immer als Erfolgsmodell. „So billig haben wir es noch nie gekriegt“, sagt ein anderer Sozialdemokrat und beschreibt damit, was im allgemeinen Sprachgebrauch heißt: SPD und PDS regieren geräuschlos und effizient. Warum also sollte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit einen bequemen Partner gegen einen unbequemen tauschen? Eine Antwort darauf lautet: weil auch die Grünen mit dem Eintritt in die Koalition ihre Unbequemlichkeit vor der Tür lassen könnten.

Nichts hat dies mehr unterstrichen als das unermüdliche Engagement der grünen Bundesspitze für eine grüne Regierungsbeteiligung im Berliner Senat. Mehr noch: Sollte es für Rot-Grün nicht reichen, wäre auch ein rot-rot-grünes Bündnis möglich, ließ zuerst Grünen-Chef Reinhard Bütikofer wissen. Und seine Kollegin Renate Künast ergänzte erst in dieser Woche wieder: Wenn es nicht anders gehe, seien die Grünen auch für eine Beteiligung in einem rot-rot-grünen Bündnis offen.

Dass solche Rechenspiele Wahlkämpfern wie Volker Ratzmann alles andere als recht sind, ist der grünen Bundesspitze gleich. Für sie zählt einzig und allein die erste Regierungsbeteiligung auf Landesebene seit dem Ende der rot-grünen Koalition im Bund. Koste es, was es wolle.

Für die regierende SPD, von den Umfragen der letzten Wochen ohnehin verwöhnt, könnte die Situation nicht günstiger sein. Bleiben die Umfragen, wie sie sind, hat Klaus Wowereit nach dem 17. September nicht nur die Wahl. Er kann auch die beiden möglichen Koalitionspartner in den Sondierungsverhandlungen nach den Wahlen gegeneinander ausspielen. „Kleinkochen“, heiß das derzeit scherzhaft bei den Sozialdemokraten, wobei keiner daran zweifelt, dass die Grünen nicht genauso kleinzukochen wären wie die Linkspartei.PDS.

So selbstsicher sind sich die Koalitionsstrategen in der SPD bereits, dass sie für eine mögliche Fortsetzung des Bündnisses mit der Linkspartei ein konkretes Szenario in der Tasche haben: „Um Thomas Flierl zu verhindern, müssen wir die Verhandlungen über einen Koalitionsvertrag mit dem Zuschnitt der Ressorts und der personellen Besetzung verknüpfen“, sagt ein Sozialdemokrat. Bislang gilt das Hineinreden ins Personal des Koalitionspartners als Tabu.

Dass solche Planspiele nicht unbedingt auf die Zustimmung der PDS treffen, liegt auf der Hand. Auch das vergrößert derzeit die Chancen dafür, dass Berlin in den kommenden fünf Jahre von einem rot-grünen Bündnis regiert wird. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Grünen nicht hinter der PDS liegen. Mit einem Wahlverlierer zu regieren, heißt es dazu bei den Sozialdemokraten, sei nur schwer vermittelbar.

Volker Ratzmann hat auf die neue Lage bereits reagiert. „Unser Ziel ist es, vor der PDS zu liegen und mit der SPD allein zu regieren“, sagte er beim grünen Wahlkampfauftakt in Prenzlauer Berg. Sein Parteifreund Wolfgang Wieland pflichtet bei: „Rot-Rot-Grün ist nicht das, worüber wir im Moment diskutieren.“

Was den Grünen darüber hinaus neuen Auftrieb gibt: Eine weitere Beteiligung der Linkspartei.PDS ist keine Voraussetzung dafür, dass sich Klaus Wowereit wie angekündigt stärker in die Bundespolitik einmischt. Auch als Anführer eines rot-grünen Bündnisses, heißt es aus der Umgebung des Regierenden, wird Wowereit alle Optionen offen haben. Dies umso mehr, als Rot-Grün derzeit einzig wäre in der politischen Landschaft Deutschlands. Rot-Rot dagegen könnte es nach dem 17. September auch in Mecklenburg-Vorpommern wieder geben.