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Archiv-Artikel

diese woche wird wichtig für … Kai Diekmann

… weil der „Bild“-Chefredakteur vor Gericht durchsetzen will, dass man ihm nicht Ungeheuerliches wie den Besuch von Talkshows nachsagt.

Auch wenn man es seiner Zeitung nicht immer sofort ansieht: Bild-Chefredakteur Kai Diekmann ist ein scheues Reh. Zumindest wenn er eingemeindet wird in die Phalanx der Journalisten, die sich „inzwischen öffentlich vorführen“, wie es der Medienwissenschaftler Siegfried Weischenberg Anfang Oktober 2005 in der Zeit formuliert hatte: „Das Fernsehen präsentiert sie uns jeden Tag – auch solche, die eigentlich bei der Presse arbeiten. Insbesondere durch Talkshows werden sie zu Stars, deren Bekanntheitsgrad dem von […] Politikern in nichts nachsteht.“

Etwas später im Text, im nächsten Absatz, da, wo es um JournalistInnen ging, die „in den letzten Wochen“ um die Bundestagswahl 2005 stärker beachtet wurden, „als ihnen im Interesse der eigenen Glaubwürdigkeit lieb sein kann“, fand sich in einer Liste neben Ersatzkanzler Jörges (Stern) und Apokalyptiker Schirrmacher (FAZ) auch – der Chefredakteur von Bild. Wer Weischenbergs Text über seine Studie zum „Journalismus in Deutschland“ heute sucht, findet das so im Zeit-Archiv auch wieder – bis auf den Namen Diekmann.

Denn der Bild-Chef klagt gegen den Professor: Diekmann bezieht den Talkshow- auf den „Beachtungs“-Passus – und weil er sich nun mal tatsächlich nicht in TV-Talkshows tummelt, will er auf diesem Wege auch gleich die Bemerkungen über die „eigene Glaubwürdigkeit“ ausgeblendet sehen.

Was ihm übrigens Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo sofort zugestand: Weischenbergs Text sei an diesen Stellen „ungenau, unvollständig und ungerecht“. Daher müsse „ersatzlos gestrichen werden“, zitiert die Klage der Anwälte des „Herrn Chefredakteurs und Herausgebers Kai Diekmann, c/o Axel Springer AG“ den erstaunlich dünnhäutigen Herrn Chefredakteur der Zeit. Und so wurde umgehend gestrichen.

Ob di Lorenzos schnelles Einknicken mit dem kurz vorher erschienenen, übrigens hervorragenden Zeit-Dossier zur Glaubwürdigkeit der Medien zu tun hatte? Dort waren Bild & Co. nicht ganz so samtbehandschuht angefasst worden. Und der, was sein Privatleben angeht, tatsächlich scheue di Lorenzo fand sich kurz darauf mit einer angeblich neuen Liebe formatfüllend auf dem Bild-Titel wieder.

Doch auch wenn der Zeit-Text längst „gesäubert“ ist, ist man nicht quitt: Diekmann will, dass auch Weischenberg widerruft und eine offizielle Unterlassungserklärung abgibt. Am Freitag sieht man sich in Hamburg vor Gericht. STEFFEN GRIMBERG