Kampf um Ressourcen

Kupfer ist so teuer geworden, dass es auch dort geklaut wird, wo es niet und nagelfest ist. Bahn beklagt zweistellige Millionenschäden. Deutsche Schrottbranche sieht sich gegen Diebesgut gefeit

von GERNOT KNÖDLER

Dreister geht’s kaum. Die Einbrecher, die der taz nord die Stromversorgung klauten, waren in der Nacht zu Montag noch einmal da. Hatten sie zunächst nur acht Meter kupfernes Starkstromkabel mitgenommen und damit eine Notausgabe erzwungen, stahlen sie jetzt gleich 100 Meter aus der benachbarten Werkhalle im Stadtteil Altona.Doch die taz ist nicht allein: Seit einiger Zeit ist der Rohstoff so knapp, dass sogar schon Grabvasen auf einem Friedhof gestohlen wurden. „Noch zu Anfang unseres Jahrzehnts war der Kupferpreis auf einem historischen Tiefstand“, sagt Ingrid Keller vom Deutschen Kupferinstitut. Viele unrentable Minen seien damals geschlossen worden. Inzwischen ist die Nachfrage aus Schwellenländern wie China und Indien gewaltig gewachsen. Doch die Produktion wieder hochzufahren, braucht Zeit. „Das ist nicht wie beim Gasgeben, dass man gleich wieder die volle Leistung hat“, sagt Keller.

Zu den Minen-Schließungen kämen Streiks in manchen Gruben, und dass Kupfer an der Börse gehandelt werde. Immer mehr Fonds investierten in den Rohstoff, was den Preis zusätzlich in die Höhe treibe. Für ein Kilo Kupfer, das vor vier Jahren noch um die 1,50 Euro kostete, muss der Käufer heute sechs Euro auf den Tisch legen.

Die Einbrecher, die das armdicke Kupferkabel abschnitten, das unter anderem die taz nord mit Strom versorgte, können mit maximal 3.000 Euro Erlös rechnen. Dafür mussten sie aber einigen Aufwand treiben: Um die Beute wegschleppen zu können, brauchten sie eine Leiter, eine Hydraulikschere und einen kleinen Laster. Überdies werden sie in Deutschland Probleme haben, das Kabel loszuwerden.

„Es gibt ein Meldesystem unter den Schrotthändlern“, sagt Michaela Hessling von der Norddeutschen Affinerie in Hamburg, die selbst viel Kupfer recycelt. 80 Prozent seiner Mitgliedsbetriebe seien zertifizierte Entsorgungsfachbetriebe, sagt Ralf Schmitz vom Verband Deutscher Metallhändler (VDM). Die Schrottplätze dieser Firmen müssten ein Betriebstagebuch führen, in dem eingetragen werde, wer was geliefert habe. Überdies melde die Polizei größere Diebstähle dem Verband, der wiederum per Internet seine Mitglieder auf das Diebesgut aufmerksam mache. Größere Ladungen Metallschrott, auch Kabelstücke, könnten durchaus identifiziert und bestimmten Quellen zugeordnet werden, versichert Schmitz. Die Metallhändler seien selbst Opfer der Diebstahlswelle, weil sie immer mehr Aufwand treiben müssten, um ihre Lagerplätze zu schützen und die Versicherungen immer höhere Prämien verlangten. Kein Händler könne im Übrigen Interesse an Hehlerware haben. Schmitz: „An gestohlenem Material kann man kein Eigentum erwerben.“ Wohin das gestohlene Metall verschwindet, ist unklar. „Die können im Grunde nur illegal über die Grenze“, vermutet der Verbandsgeschäftsführer.

„Wir kaufen nur bei großen, seriösen Händlern mit Losen ab 25 Tonnen“, sagt Hessling von der Norddeutschen Affinerie. Mit dem Diebstahl habe ihre Hütte keine Probleme. „Uns klaut hier keiner was vom Hof“, sagt die Sprecherin. Die Hütte habe aber besondere Sicherheitsvorkehrungen getroffen, allein schon, weil im Zuge der Kupferproduktion Gold abfalle. Ganz anders sieht es bei der Deutschen Bahn aus, die auch die taz nord mit Strom versorgt. Aus deren weitläufigen Anlagen lässt sich schwerlich ein Hochsicherheitstrakt machen. Seit Ende 2004 hätten die Buntmetalldiebstähle stark zugenommen, bestätigt Bahn-Sprecherin Sabine Brunckhorst. Bundesweit entstünden dadurch jährlich Sachschäden in Höhe eines zweistelligen Millionenbetrages. Dazu kämen Zugausfälle und Verspätungen. Auch die Hamburger Polizei hat einen Anstieg der Altmetall-Diebstähle festgestellt. Mancher Dieb bevorzugt dabei offenbar kompakte Beute. „Wir hatten auch schon Diebstähle von Gully-Deckeln“, erinnert sich Polizeisprecher Ralf Kunz.