Der Lokalpatriot

Es gibt Muslime, die Rauf Ceylans Islamverständnis, der Islam als eine von mehreren Religionen in einer pluralistischen Gesellschaft, schlecht vertragen. Es gibt auch Nicht-Muslime, die sich daran reiben, dass Imame aus der Türkei nach Deutschland kommen. Rauf Ceylan hat sich damit abgefunden, es nicht allen recht zu machen. Der 37-jährige Muslim ist Kultur-Soziologe mit Schwerpunkt Islam.

Der geborene Duisburger mit kurdischen Wurzeln ist seit 2009 Professor für Religionssoziologie in Osnabrück. Als einer der ersten hat er erkannt, wie wichtig es ist, türkische Imame auf die Arbeit in Deutschland vorzubereiten. Deshalb entsendet die Konrad-Adenauer-Stiftung seit 2008 Ceylan regelmäßig in die Türkei, denn viele der Geistlichen sprechen weder Deutsch noch wissen sie etwas über die Lebensbedingungen der Muslime in Deutschland.

Das kann für manche zu einer Überforderung führen, „für einige sogar zum Kulturschock“, sagt Ceylan. „Ich versuche ihnen zu vermitteln, dass die Arbeit in Deutschland nicht direkt vergleichbar mit der in der Türkei ist.“ Dabei sieht sich Ceylan eher als Brückenbauer denn als Lehrer.

Ausgesucht hat er sich diese Rolle zunächst nicht. An der Uni haben ihm seine Dozenten oft muslimische Themen vorgeschlagen. „Wenn man einen entsprechenden Background hat, glauben manche automatisch, dass man Experte ist“, sagt Ceylan. „Aber im Endeffekt zählt nur die Kompetenz.“

Ceylan spricht mit leichtem Duisburger Dialekt, seine türkischen Wurzeln hört man nur, wenn es um muslimische Begriffe geht. Kein Wunder, schon seine Eltern sind in Deutschland geboren. „Die Türkei kenne ich nur aus dem Urlaub.“

Ceylan bezeichnet sich selbst als Lokalpatriot: „Alle meine elementaren Erfahrungen habe ich hier gemacht. Deshalb habe ich einfach einen sehr starken Bezug zu Duisburg.“ Kein Wunder, dass der Mann noch immer dort wohnt. FRIDA KAMMERER