Das grüne Privatversteck

Die Ausstellung „Gartenwelten. Orte im Verborgenen“ zeigt eine ungekannte Neue Mitte

VON UWE RADA

Es ist mittlerweile fast zehn Jahre her, dass in Berlin ein Begriff Karriere machte, der heute in aller Munde ist: die Neue Mitte. Neue Mitte, das war nicht nur ein Wahlkampfslogan der SPD, mit dem Gerhard Schröder auf die Stimmen und Stimmungen der neuen Kreativen, der IT-Szene, der Medienleute setzte. Es war sogleich auch eine städtebauliche Chiffre: für den Umbau von Berlin-Mitte zur Heimat dieser neuen Urbaniten.

Wenn man wissen will, wie diese Neue Mitte heute aussieht, geht man in die Friedrichstraße und wirft einen Blick auf das Spreekarree, das Luisencarree oder all die andern Carrees und Quartiere, die dort seit Mitte der 90er-Jahre dort entstanden sind. Denn mit dem Abstand einiger Jahre betrachtet, verhält es sich mit der baulichen neuen Mitte nicht anders als mit der IT-Branche. Vieles davon ist eine Blase, manches wird Bestand haben, dazwischen steht viel Durchschnitt.

Dabei könnte man es bewenden lassen, gäbe es nicht Landschaftsarchitekten, die ihre Akzente gesetzt haben, und gäbe es nicht den Bund Deutscher Landschaftsarchitekten, der seit Montag eine Ausstellung mit dem Titel „Gartenwelten“ zeigt, die diese Arbeiten präsentiert. An „verborgene Orte in Berlin-Mitte“ will die Ausstellung führen und ganz nebenbei verrät sie einiges Unerwartetes über die Neue Mitte.

Das Erste: Es wird in Berlin-Mitte noch immer gewohnt. Auch wenn die Straßenansicht manchmal trügt, vom Hof aus betrachtet sieht man es deutlich. Und natürlich sieht man es an den Gärten. In der Schumannstraße hat Barbara Willecke zum Beispiel einen Bewohnergarten als sozialen Raum gestaltet. Darüber hinaus ist der Hofgarten zusammen mit den Nachbargärten Teil einer grünen Oase, die der sonst so strengen und geordneten Atmosphäre von Mitte etwas von der Wildheit zurückgibt, die hier einmal zu Wendezeiten geherrscht hat.

Doch Wohnen in der Neuen Mitte ist nicht nur eine soziale Veranstaltung, sondern erfüllt vor allem eine Repräsentationsfunktion. Das zeigt ein Garten im Spreekarree in der Friedrichstraße 133a: eine streng gegliederte Gartenanlage, deren Nutzung als Treffpunkt wohl eher eine Ausnahme bleiben wird. Der Garten in der Neuen Mitte – so cool also wie der Yuppie, der auf ihn herabschaut?

Weit gefehlt. Durch einen Durchgang – oder besser einen Durchschlupf – kommt der abgeklärte Yuppie in einen Garten, der nicht nur die gewünschte Aufenthaltsqualität bietet, sondern auch genügend Raum, selbst den ein oder andern Blumentopf hinzustellen.

Mit dieser Teilung der Gartenfunktionen spiegelt das Büro Häfner/Jiménez auch die Veränderungen in der Arbeits- und Lebenswelt dieses Teils der Stadt wider. Und es verrät etwas von den heimlichen Sehnsüchten, an denen kein Landschaftsarchitekt vorbeikommt, wenn er einen Garten nicht völlig gegen den Willen der Anwohner designen möchte. Das ist die zweite Überraschung.

Die Dritte: Trotz aller Repräsentation gibt es in Berlin-Mitte auch Momente von heiterer Leichtigkeit. Etwa dann, wenn im „jardin estival“ in der Französischen Botschaft 350 Terrakottatöpfe mit Jasmin, Geranie, Minze, Tabak und Salbei eine beinahe mediterrane Atmosphäre herstellen. Solche ironischen Brechungen wünschte man sich manchmal auch im Alltagsleben in der ernsten Wichtig-wichtig-Mitte.

Die Entdeckung der verborgenen Gärten verrät denn auch einiges über den Lebensstil in der Neuen Mitte: Denn in der Vergangenheit hatte man dem öffentlichen Park nicht selten den Rücken gekehrt; die ganze Zuwendung gehörte dem privaten Garten. Ihre Verborgenheit wirft deshalb auch ein Licht auf die Privatisierung des Lebens mitten in der Stadt.

Wie gut, dass es da wenigstens die Panke gibt. Die nämlich macht das genaue Gegenteil. Jahrzehntelang verborgen, zeigt sie sich jetzt peu à peu wieder der Öffentlichkeit. Auch das wird in der Ausstellung gezeigt. So gibt es also in den Gartenwelten beides zu sehen: Rückzug und Öffnung, Repräsentation und Heiterkeit, Strenge und Sehnsucht.

Die Ausstellung „Gartenwelten. Verborgene Orte in Berlin Mitte“ ist bis zum 21. September in der BDA-Galerie Mommsenstraße 64 zu sehen. Der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden die Gärten am 16. und 17. September. www.gartenwelten.net