DIE CDU VERSPIELT DIE ERFOLGE ROT-GRÜNER GESCHICHTSPOLITIK : Vedruckst wie Helmut Kohl
Es war ein Dementi, das die Vorwürfe bestätigte. Die Geschichtspolitik der großen Koalition stehe „in der Kontinuität aller Vorgängerregierungen“, erklärte Kultur-Staatsminister Bernd Neumann gestern, immerhin vier Tage nach dem Eklat, die die Weimarer Gedenkrede seines Stellvertreters Hermann Schäfer verursacht hat. „Aller“ Vorgängerregierungen – das signalisiert einen großen Schritt zurück hinter Rot-Grün und schließt den verdrucksten Umgang mit der jüngeren deutschen Vergangenheit ein, den der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl pflegte. Ihm waren sowohl Neumann als auch Schäfer eng verbunden.
Auf keinem Gebiet sind die Verdienste der früheren rot-grünen Bundesregierung so unbestritten wie auf dem Feld der Geschichtspolitik. Von der Neugestaltung der Berliner Gedenkstätten bis zur Entschädigung ehemaliger Zwangsarbeiter haben Gerhard Schröder, Joschka Fischer und ihre wechselnden Kulturminister vollbracht, was ihnen auf anderen Gebieten so gründlich misslungen ist: eine große Reform, die überholte Zustände beseitigt und den Anforderungen der Gegenwart gerecht wird. In den Augen der internationalen Öffentlichkeit war das Ansehen Deutschlands nie besser als in jenen sieben Jahren. Konservative, die das neue rot-grüne Selbstbewusstsein auf der Weltbühne lobten, haben das oft vergessen. Dieses Selbstbewusstsein war nur möglich, weil Deutschland endlich ein klares Verhältnis zu seiner Vergangenheit fand.
Dazu trug wesentlich das neue Amt des Staatsministers für Kultur bei, obwohl es nur über einen einen winzigen Etat verfügte. Angela Merkel, die personalpolitisch lieber in der Familien- und Forschungspolitik Akzente setzte, hat das Amt dem innerparteilichen Proporz geopfert und mit zweitrangigen Figuren besetzt. Jetzt werden die Folgen sichtbar. Umso schlimmer, dass bei diesem Kurswechsel womöglich mehr Ungeschicklichkeit als Absicht im Spiel ist. Tolpatschig verstolpert die CDU die geschichtspolitischen Errungenschaften von Rot-Grün, und die Granden der SPD schweigen auch noch dazu. RALPH BOLLMANN