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Archiv-Artikel

„Emotionale Wucht“

LEBENSBORN-AUSSTELLUNG Aktuelle Fotos erzählen von den komplexen Biografien der SS-Wunschkinder

Tristan Vankann

■ 44, ist Fotograf und Dozent für Pressefotografie in Hamburg. Er ist Gründungsmitglied der Agentur „fotoetage“.

taz: Herr Vankann, heute eröffnet die Ausstellung „Lebenslang Lebensborn“. Welche aktuelle Brisanz hat das Thema?

Tristan Vankann: Einerseits wissen viele Frauen und Männer gar nicht, dass sie Lebensborn-Kinder sind. Andererseits ist die Scham bei Betroffenen oft groß. Es ist noch immer ein heikles Thema.

Wie ist die Ausstellung entstanden?

Die Autorin Dorothee Schmitz-Köster recherchiert seit Jahren zu diesem Thema und kennt Hunderte Lebensborn-Kinder. Für ihr letztes Buch „Lebenslang Lebensborn“ hat sie zwanzig Zeugen gewinnen können, deren Geschichten sie erzählt. Ich habe die heute 70- bis 75-Jährigen fotografiert. Im Buch kommen historische Fotos aus Privatbesitz dazu.

Hat die Scham zu Schwierigkeiten im persönlichen Kontakt geführt?

Die Menschen, die wir getroffen haben, spiegeln die ganze Bandbreite unserer Gesellschaft wider. Dorothee Schmitz-Köster und ich haben uns viel Zeit genommen. Wir wussten, dass wir behutsam mit ihnen umgehen müssen, um ihr gerechtfertigtes Vertrauen zu gewinnen.

Wie lebten die Kinder in den Heimen?

Es ist unglaublich, wie mit den Kindern in Lebensborn-Heimen umgegangen wurde. Sie waren Spielzeug für die Rassenideologie.

Gab es Momente, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind?

Gleich bei meinem ersten Porträt habe ich einen Mann kennengelernt, dessen Leben unerwartet außer Kontrolle geraten war: Er hatte entdeckt, dass sein Vater ein hochrangiger Nazi war, der ihn in den Lebensborn gegeben hatte. Dieses lange Gespräch hatte so eine emotionale Wucht, dass ich anschließend kaum fotografieren konnte. Seitdem habe ich die Begegnungen kürzer gestaltet. Ich brauchte für meine Arbeit mehr Distanz und verließ mich darauf, was ich sehe. INTERVIEW: KORNELIUS FRIZ

Ausstellungseröffnung: 17 Uhr, Bürgerschaft