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Archiv-Artikel

Zinsgeschäft: Ein Prozent zahlen, 17 Prozent nehmen

VERBRAUCHER Banken verlangen zu viel Dispozins. Besonders im Nachteil sind Kunden auf dem Land

BERLIN taz | Nehmen ist seliger als Geben. Zumindest für viele Banken, die zu hohe Dispozinsen verlangen und für Guthaben zum Teil unter ein Prozent Zinsen zahlen. Das hat eine umfassende Untersuchung der „Stiftung Warentest“ ergeben.

Die Organisation hat den Dispozinssatz von rund 700 Banken in Deutschland ermittelt. Ergebnis: Die Banken geben das niedrige Zinsniveau, zu dem sie sich Geld von der Europäischen Zentralbank (EZB) leihen, nur unzureichend an ihre Kunden weiter. „Es ist erschreckend, wie hoch das Zinsniveau in diesem Marktsegment insgesamt ist, obwohl wir uns immer noch in einer historisch niedrigen Zinsphase befinden“, sagt Stephanie Pallasch von „Stiftung Warentest“.

Ein Prozent beträgt der Leitzins der EZB derzeit. Die Geldinstitute fordern aber Dispozinsen von sechs bis knapp 17 Prozent, fanden die Tester heraus. Überprüft wurden private Institute, Direktbanken, Sparkassen und genossenschaftlichen Geldhäuser. Vor allem Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken in ländlichen Regionen sind teuer, hier gibt es wenig Konkurrenz.

„Das ist für viele Bankkunden in ländlichen Regionen, die bei einer Filialbank bleiben und nicht zu einer Direktbank wechseln möchten, ein klarer Nachteil“, kritisiert Finanztest-Chefredakteur Hermann-Josef Tenhagen. Schlusslicht der Studie ist die Targobank mit einem Dispositionszins von knapp 17 Prozent. Die günstigsten Konditionen bieten Banken ohne Filialen, so genannte Direktbanken. Führend ist hier die Deutsche Skatbank mit sechs Prozent.

„Für die Banken ist das ein gutes Geschäft“, sagt Tenhagen. Jeder sechste Bankkunde in Deutschland stehe mit seinem Girokonto in den Miesen. Und für jeden Prozentpunkt, um den die Banken den Zinssatz nicht senken würden, nähmen die Kreditinstitute 416 Millionen Euro im Jahr ein.

Wegen zu hoher Dispozinsen will nun die Verbraucherzentrale in Nordrhein-Westfalen gegen die Sparda Bank Münster und die Targobank klagen. Verbraucherschützer fordern eine gesetzliche Regelung, die vorschreibt, dass der Dispozinssatz maximal sieben Prozent vom Leitzinssatz abweichen darf. Die Bankenverbände verteidigen die Zinspraxis: „Aufgrund der Flexibilität sind Dispozinsen grundsätzlich höher als bei anderen Privatkrediten“, hieß es. SIMON HUFEISEN

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