: Arbeitsgericht: Kein Tarifvertrag ohne Streikrecht
RECHT Evangelische Kirche in Norddeutschland muss Streik an konfessionellen Kliniken akzeptieren
FREIBURG taz | Gewerkschaften dürfen an kirchlichen Einrichtungen streiken, wenn diese Tarifverträge anwenden. Dies entschied jetzt das Arbeitsgericht Hamburg. Wenn sich die Kirche auf Tarifverträge einlasse, könne sie nicht gleichzeitig das Streikrecht ausschließen.
In der evangelischen Kirche Norddeutschlands (Nordelbien) ist es üblich, dass kirchliche Einrichtungen zwar Tarifverträge anwenden, dass dabei aber ein mit der Gewerkschaft Ver.di ausgehandeltes Schlichtungsabkommen gilt. Dabei verzichtete Ver.di auf Streiks und die Kirche auf Aussperrungen. Kommt bei Verhandlungen keine Einigung zustande, entscheidet ein unabhängiger Schlichter über den Inhalt des Tarifvertrags. Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund ist an dieses Abkommen nicht gebunden und rief deshalb im Vorjahr ihre Mitglieder zum Arbeitskampf für einen besseren Tarifvertrag auf. Diese Streiks wollte der Verband der kirchlichen Arbeitgeber jedoch verbieten lassen.
Die Klage der Arbeitgeber scheiterte jetzt beim Arbeitsgericht Hamburg. Erst durch das Streikrecht entstehe ein Machtgleichgewicht zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften, so das Gericht. Aussperrungen seien im Normalfall ohnehin verboten, sodass der Verzicht der Kirche nicht ins Gewicht falle. Auch die Zwangsschlichtung sei kein adäquater Ersatz für einen ausgehandelten Tarifvertrag.
Das Urteil hat keine direkten Auswirkungen auf die übrige evangelische Kirche und katholische Einrichtungen. Dort werden keine Tarifverträge angewandt, sondern ein sogenannter Dritter Weg. Auch hier gibt es zwar eine Zwangsschlichtung ohne Streikrecht, das Ergebnis sind aber „allgemeine Vertragsrichtlinien“, mit denen zum Beispiel nicht von gesetzlichen Regelungen abgewichen werden kann.
Im März hatte das Arbeitsgericht Bielefeld entschieden, dass in Einrichtungen, die den Dritten Weg praktizieren, Gewerkschaften nicht streiken dürfen. Hier gehe das kirchliche Selbstbestimmungsrecht vor. Ver.di hat Berufung eingelegt, der Konflikt wird vermutlich vom Verfassungsgericht entschieden. CHR