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Archiv-Artikel

Holzkreuze beim Schweigemarsch

PROTEST Abtreibungsgegner laufen am Samstag durch Mitte. Mehrere Gegenaktionen geplant

„Die AbtreibungsgegnerInnen versuchen, sich seriöser zu geben“

PABLO VALGOLIO

Am morgigen Samstag werden Abtreibungsgegner wieder ihren „Marsch für das Leben“ durch Mitte veranstalten. Der Schweigelauf, bei dem die christlichen Aktivisten weiße Holzkreuze tragen, wird vom Bundesverband Lebensrecht (BVL) bereits zum sechsten Mal in Berlin organisiert. Bis zu 1.000 Abtreibungsgegner reisen dafür aus ganz Deutschland an. Die Auftaktkundgebung findet vor dem Roten Rathaus statt, am Ende gibt es einen Abschlussgottesdienst in der St.-Hedwigs-Kathedrale.

Ein Bündnis feministischer und antifaschistischer Gruppen plant an beiden Orten Gegenkundgebungen. Die am Neptunbrunnen beginnt um 12.30 Uhr, die am Bebelplatz um 14.30 Uhr. Pablo Valgolio, der Sprecher des Bündnisses „Gegen Abtreibungsverbot und christlichen Fundamentalismus“, ruft dazu auf, „den militanten AbtreibungsgegnerInnen vielfältigen Widerstand entgegenzusetzen“.

Abtreibungsgegner demonstrieren und beten aber nicht nur am Samstag „für das Leben“. Sie nutzen auch ihre Kontakte, um in die für Abtreibung relevanten gesellschaftlichen Bereiche zu intervenieren: Politik, Medizin, Rechtsprechung und Medien. Der BVL besteht aus 14 Gruppen, darunter die „Christdemokraten für das Leben“ (CDL), ein Arbeitskreis der CDU, die Juristen-Vereinigung Lebensrecht (JVL) und die Europäische Ärzteaktion. Der Vorsitzende des BVL, Martin Lohmann, schreibt als Journalist unter anderem für den Rheinischen Merkur und die Bild-Zeitung.

Alle Mitgliedsgruppen des BVL bewerten das Lebensrecht „ungeborener Kinder“ höher als das Leben oder die Entscheidungsfreiheit der schwangeren Frauen. Laut seiner Satzung ist das Ziel des Verbands „Schutz der Würde und des Lebensrechts ungeborener und geborener Menschen von der Zeugung bis zum natürlichen Tod“.

Anders als in den letzten Jahren wollen die Organisatoren am Samstag darauf verzichten, plakativ auf die angeblichen 1.000 Abtreibungen pro Werktag in Deutschland – dies übertrifft die offizielle Zahl des statistischen Bundesamtes um das zweieinhalbfache – hinzuweisen. Gerhard Steier, Geschäftsführer der Berliner BVL-Organisation Kaleb e. V., sagt dazu, man halte an der Zahl fest, habe sich aber entschlossen, sie nicht mehr offensiv zu verwenden, um sie „aus der Schusslinie zu nehmen“. Er hoffe, dass dies zu einer Versachlichung der Debatte beitrage. Pablo Valgolio verbucht dies wiederum als Erfolg der Proteste vergangener Jahre: „Die AbtreibungsgegnerInnen versuchen sich seriöser zu geben, indem sie von dieser plakativen und frei erfundenen Zahl Abstand nehmen.“

In Berlin liegt die Quote der Schwangerschaftsabbrüche weit über dem Bundesdurchschnitt – mit 13,2 Abbrüchen je 1.000 Frauen im Verhältnis zu 7,0 Abtreibungen im deutschlandweiten Durchschnitt, so das statistische Bundesamt. KIRSTEN ACHTELIK

■ Mehr Informationen unter: no218nofundis.wordpress.com