: berliner szenen Leben mit Starbucks
Koffeinexpansion
An alle, die eine Erdgeschosswohnung haben: Auch wenn euch jeder reingucken kann und ihr in ständiger Angst vor Einbrechern lebt, zieht niemals aus! Bald werdet ihr eine Rarität euer Eigen nennen, weil sämtliche Erdgeschosswohnungen von Caféhäusern à la Starbucks etc. beschlagnahmt werden. Schon heute bietet die Steglitzer Schloßstraße auf zirka 700 Metern gleich vier Möglichkeiten für Latte Macchiato und Cookies (zwei Euro das Stück).
Ich selbst habe noch ein solches ebenerdiges Juwel ergattert, bevor die Koffeinexpansion begann. Trotzdem begrüße ich jeden neuen Caféladen, denn als Treffpunkt sind sie bestens geeignet. Vor allem für Dates am frühen Morgen, um 11 Uhr, wenn man noch viel zu müde ist, sich selbst einen Kaffee zu machen. Andere sind da ja schon erstaunlich frisch und gesprächig. Gestern erzählte mir eine junge Frau ihre Liebesgeschichte: Sie aus Wuppertal, er aus Berlin, lernten sich am Flughafen von Dubai kennen, flogen, wortlos, aber mit stundenlangen Blickwechseln, nach München. Beim Aussteigen gab er ihr mit den Worten „Du hast da was verloren“ seine Nummer. Fazit: Er fand Wuppertal als neue Heimat.
Doch bei aller Freude am Schwatz: Es sollte ein vormittägliches Zutrittsverbot für Minderjährige geben. Was bringt die ganze Bildungsdebatte, wenn junge Damen um 10 Uhr morgens das Steglitzer Balzac der Schulbank vorziehen. Kaum hat das Schuljahr angefangen, schwänzen sie. Oder hängen sie im Café herum, weil im nahegelegenen Paulsen-Gymnasium zwei Lehrerstellen unbesetzt sind? Da stellt sich mir die Frage, ob die Bildungspolitik wegen eines geheimen Pakts mit der Kaffeeindustrie wild reformiert und reformiert … EVA KUBITZA