: Der letzte Dandy
Ein würdiger, melancholisch punkiger Rock-’n’-Roller-Abschied: Tribute to Nikki Sudden im Roten Salon
Es ist immer noch unglaublich, dass Nikki Sudden nicht mehr lebt. Am 26. März dieses Jahres war der in London geborene Sänger, der Ende der 70er-Jahre mit den Swell Maps Punkgeschichte schrieb und in den 80er-Jahren mit den Jakobites seine größten Erfolge hatte, am Ende einer US-Tour in New York gestorben. 20 Platten hat er veröffentlicht, im Juli wäre er 50 geworden. Der letzte Dandy wohnte in der Ratiborstraße, aß gern Pizza im Casolare, trank im Bellman's, stand jedes Jahr etwa hundertmal auf der Bühne, schrieb sehr viel Tagebuch (auf nikkisudden.com) und verfolgte daneben noch tausend andere Projekte – eine Autobiografie, ein Buch über Ron Wood usw.
Nikki Sudden hatte viele Freunde, ein großes Netzwerk ihm verbundenerFans. „Nikki war immer da“, sagte die Ausstellungsmacherin und Musikerin Tine Neumann, die am Donnerstag zusammen mit dem Musiker Bruno Adams von Fatal Shore im Roten Salon ein Tribute-Konzert für Nikki Sudden organisierte. Leben und Werk des Rock-'n’-Rollers zu Ehren spielten 20 kleinere und größere Bands aus Berlin und Europa seine Songs.
Auf die eine oder andere Art waren die auftretenden Musiker alle persönlich mit Sudden in Kontakt. Manche, wie der junge, großartige Einar Stenseng aus Oslo, hatten zu Nikki Sudden als ihrem „Rock'n Roll-Professor“ aufgeschaut; andere wie Dave Kusworth hatten ihn über Jahrzehnte begleitet. Der Übergang vom Kollegen zum Fan war in der Welt Suddens fließend, er war ein Teil der eigenen Biografie. Diese Nähe machte den Abend so intensiv, schön, traurig: Das Werk war lebendig, der Autor tot. Anfangs wurde ein Interview bei ihm in seiner Wohnung gezeigt. „I can't die because I have so many things to do“, hatte Sudden gesagt.
Am Ende spielte Dave Kusworth mit seiner Band den Stooges-Song „No Fun“. Der Sänger der seltsamtoll westernswingorientierten Comedian Pharmacists hatte gesagt, dies sei so ein trauriges Datum. Am gleichen Tag hätte Jack the Ripper seine Mordserie begonnen, am gleichen Tag sei sein Bruder an Heroin gestorben. Die ersten Stunden der Nacht war die Musik getragen und melancholisch, in den letzten Stunden gab’s dann Gitarrengewitter und Punk. Ein würdiger Abschied mit schwarzgekleideten Leuten, die ständig rauchten und tranken. Rock 'n’ Roll, ein existenzieller Lebensentwurf: Im Oktober erscheint Nikki Suddens letzte Platte. DETLEF KUHLBRODT