Öffentlich vorgeführt

Eine Klage des „Bild“-Chefs Diekmann gegen den Medienprof Weischenberg ist peinlich für „Die Zeit“

Uff, da haben wir ja noch mal Glück gehabt: Bild-Chefredakteur Kai Diekmann ist doch eine quasi öffentliche Person. Das Hamburger Landgericht hat gestern eine Klage des Bild-Chefs gegen den Medienwissenschaftler Siegfried Weischenberg abgewiesen. Dem wollte Diekmann verbieten lassen, ihn in eine Aufzählung von Großjournalisten einzugemeinden, die „sich inzwischen öffentlich vorführen“ (taz vom 28. 8.). Genau das hatte Weischenberg vergangenen Herbst in einem Beitrag für die Wochenzeitung Zeit getan.

Was für eine Posse – schließlich tritt der Bild-Chef zwar nicht wie der ein oder andere seiner Kollegen in TV-Shows auf, lässt sich dafür aber schon mal unter herzlicher Anteilnahme der eigenen Bild-Fotografen mit dem Stellvertreter Christi auf Erden ablichten. Doch leider zeugt diese Posse von mehr: von merkwürdigen Vorstellungen von interner Pressefreiheit bei der Zeit. Und vom schmierigen Korpsgeist der Chefredakteurs-Meute. Denn anders als Weischenberg hatte Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo sofort beim ersten Knurren des Bild-Chefs den Schwanz eingezogen – und wie gewünscht den Namen Diekmann aus den entscheidenden Absätzen des Artikels getilgt. Übrigens ohne vorher mit seinem Autor Weischenberg zu sprechen. Man kennt sich eben unter ChefredakteurInnen, auch wenn man sich nicht unbedingt mag. Mehr noch: „Ich bedaure das sehr“, hatte sich di Lorenzo per Fax beim Bild-Chef noch ausdrücklich entschuldigt – mit dem hübschen Argument, der Artikel sei „durch eine Verkettung unglücklicher Umstände“ durch die sonst offenbar übliche Zeit-interne Vorzensur gerutscht: Weder er „noch meine Stellvertreter“ hätten „den Text vor Abdruck gesehen“, bedauert di Lorenzo. Doch auch diese Rechnung hatte er ohne den Bild-Wirt gemacht: „Ich gehe davon aus, dass dies ein persönliches Fax an Dich ist“, schrieb di Lorenzo dem „Lieben Kai“. Doch der nahm es so persönlich, das sich das Dokument als „Anlage K 4 B“ im Prozess als Beweismittel wiederfand.

Ob Diekmanns Name nun auch wieder in die gesäuberte Version des Weischenberg-Artikels im Zeit-Archiv zurückfindet? Auch wenn Diekmann gegen das gestrige Urteil in Berufung gehen kann – der eigentlich geschädigte ist in jedem Fall die Zeit. STEFFEN GRIMBERG