Nur das Seepferdchen bleibt

Helgoland reißt sein altes Schwimmbad ab und baut ein neues. Dort können die Gäste relaxen, die Kinder aber keine Schwimmprüfungen mehr machen. Ein bundesweiter Trend, sagt die DLRG

Bei einer Wassertiefe von maximal 1 Meter 35 könne „eine vernünftige Ausbildung nicht mehr stattfinden“, sagt der Sprecher der DLRG

von KAIJA KUTTER

Das große Meerwasserschwimmbad auf der Insel Helgoland galt unter Eltern als kleiner Geheimtipp, um den Kindern in den Ferien das Schwimmen beizubringen. Das Salzwasser trägt gut und der Schwimmlehrer gilt als fähig. In diesem Sommer gab es die letzte Gelegenheit, das Jugendabzeichen Bronze, Silber oder Gold abzulegen, für das Kinder auch zwei Meter tief tauchen und vom Dreimeter springen müssen.

Denn das 50 Meter-Becken mit ausreichender Tiefe für einen Sprungturm wird diesen Monat abgerissen. In neun Monaten soll zur nächsten Saison ein neues Bad mit zwei kleinen, flacheren Becken entstehen. Dort können Kinder nur noch das Frühschwimmerabzeichen „Seepferdchen“ ablegen, für das sie sich gerade mal eine Bahn über Wasser halten müssen.

„Das alte Becken ist ein reines Sportschwimmbecken“, verteidigt Kurdirektor Christian Lackner den Plan. Die Kurgäste, die nur Bahnen schwimmen wollten, seien aber „eher die Minderheit“. Auf die Insel käme auch die Klientel der 60-Jährigen, die sich „verwöhnen lassen“ wolle. Deshalb ist auch eine Wassermassage, ein Strömungskanal und ein Whirlpool auf dem Dach mit Blick aufs Meer geplant.

Das alte Becken aus den 60ern brachte jährlich einen „Verlust von 600.000 bis 800.000 Euro“ ein, wie der Kurdirektor berichtet. Doch es gab um die Pläne auf der Nordseeinsel durchaus Diskussionen. Nicht nur Urlauberkinder, auch die Kinder auf der Hochseeinsel müssen schließlich sicher schwimmen lernen. Und auch die DLRG-Retter an den beiden Stränden auf der benachbarten Badedüne müssen alle zwei Jahre ihre Prüfung erneuern. Dafür bräuchten sie ein „ausbildungsfähiges Becken“, wie es im Fachjargon heißt.

Martin Janssen, Sprecher der DLRG, sieht hier einen Trend bestätigt. „Es gibt einen Umbau von Sportbecken zu Freizeit und Spaßbecken in vielen Kommunen.“ Bei einer Wassertiefe von maximal 1 Meter 35 könne „eine vernünftige Ausbildung nicht mehr stattfinden“.

Seit Ende der 80er Jahre beklagt der Lebensretterbund einen Rückgang der Schwimmabzeichen „und das ist nur unwesentlich demografisch bedingt“, sagt Janssen. „28 bis 30 Prozent“ der Kinder im Alter von fünf bis 18 Jahren „kann nicht schwimmen“. Geschweige denn, wie beim Jugendschwimmerabzeichen, nach Ringen in zwei Metern Tiefe tauchen. Das sei beispielsweise wichtig, damit Kinder lernen, unter Wasser die Orientierung zu behalten. Auch das Springen aus der Höhe sei für Notfallsituationen wichtig. Janssen: „Wir sehen das nicht unter kulturellen Gesichtspunkten. Schwimmen ist ein wesentliches Element der Daseinsvorsorge.“

Der Ausbau der Bäder nach dem so genannten „goldenen Plan“ in den 60er und 70er Jahren habe entscheidend dazu beigetragen, dass es einen Rückgang der tödlichen Unfälle gab. Jansen: „1955 sind in Deutschland 2.105 Menschen ertrunken. 1961 waren es 1400, 1988 nur noch 345.“ Inzwischen sind es wieder rund 500 pro Jahr.

Darüber, wie viele Bäder zu Spaßbäder wurden, gibt es nur veraltete Zahlen der Bundessportministerkonferenz aus dem Jahr 2000. Demnach gab es 3.200 Freibäder und 3.500 Hallenbäder. Von letzteren wurden rund 400 zu Spaßbädern umgewandelt, von denen „90 Prozent noch ein Schwimmerbecken haben“, wie Christian Ochsenbauer von Bundesfachverband der öffentlichen Bäder betont. Er sagt, dass Deutschland im EU-Vergleich immer noch „gut“ dastehe, und die DLRG „zum Teil dramatisiert“. Aber auch Ochsenbauer räumt ein, dass die Zahl der „Sprungbecken zurückgeht, weil der Betrieb zu teuer ist“.

„Wir brauchen wieder ein flächendeckendes Netz von ausbildungsfähigen Bädern, wie wir es von 15, 20 Jahren hatten“, beharrt Janssen. Er habe nichts gegen „ein paar Palmen am Badrand“, doch gebe es Kommunen, die Kompromisse schließen und „ein Spaßbad mit einem Ausbildungsbecken kombinieren“.

Für Helgoland, wo das Sprungbecken nun mit Bauschutt gefüllt wird, hat man andere „Lösungen gefunden“, wie Lackner berichtet. Die Kinder machen ihre Abschlussprüfung bei einem Schulausflug nach Cuxhaven oder Bremerhaven. Und die Retter fahren zum DLRG-Ausbildungszentrum nach Malente an die Ostsee.