: Das Nebelgeschäft
Auch ein neues Bundesgesetz verhindert, die Übeltäter bei Fleischskandalen zu nennen
VON TARIK AHMIA
Im bayerischen Skandal um verdorbenes Fleisch laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Ermittler werten weiter die Geschäftsunterlagen des Münchner Großhändlers aus, bei dem in der vergangenen Woche 100 Tonnen überfälliges Tiefkühlfleisch beschlagnahmt wurden. Weitere drei Tonnen Fleisch des verdächtigten Großhändlers wurden in Niedersachsen sichergestellt. Die Ermittlungen sind schwierig: Die Ware wurde europaweit ausgeliefert – und zum größten Teil schon verzehrt.
So wie bei den Fleischskandalen der letzten Monate werden auch diesmal Forderungen nach härteren Strafen und schärferen Kontrollen laut. Der bayerische Verbraucherminister Werner Schnappauf (CSU) forderte nun Gefängnisstrafen und empfindliche Geldstrafen für Gammelfleisch-Produzenten: „Fleischhändler und Gastronomen, die verdorbenes Fleisch in den Umlauf bringen, müssen an den Pranger gestellt werden“, sagte Schnappauf. Er kritisierte, dass die Behörden auch in Zukunft den Namen der verdächtigten Firmen nicht nennen dürfen, wenn das Gammelfleisch schon verbraucht ist. „Wir brauchen deshalb ein hartes Verbraucherinformationsgesetz.“ Es läge in der Hand seines Parteikollegen und Bundesverbraucherministers Horst Seehofer, dafür zu sorgen. Doch der will nicht.
„Härtere Strafen sind nicht notwendig, weil in solchen Fällen schon heute Gefängnisstrafen verhängt werden können“, ließ er mitteilen. Auch ein Aufschnüren des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG), das im Juni vom Kabinett beschlossen wurde und in zwei Wochen im Bundesrat beraten wird, komme nicht in Frage. „Das Gesetz schöpft das aus, was praktikabel und konsensfähig ist“, sagte eine Sprecherin des Ministeriums zur taz. Gemeint ist der Ausgleich zwischen den Informationsansprüchen der Verbraucher und den „Schutzinteressen“ der Wirtschaft. An diesem Konflikt ist das VIG in den vergangenen fünf Jahren immer wieder gescheitert.
Dabei sollte das Gesetz eigentlich sicherstellen, dass sich Verbraucher zeitnah über Produkte und Lebensmittel informieren können. Doch genau dieses Ziel verfehlt das VIG. Verbraucherschützer bezeichnen es als „Augenwischerei“ oder auch ganz schlicht als „Skandal“. Sie kritisieren, dass Firmennamen durch einen Gummiparagrafen im VIG nahezu beliebig verschwiegen werden können. Anfragen von Bürgern können abgelehnt werden, sofern dadurch „Geschäftsgeheimnisse“ oder „sonstige wettbewerbsrelevante Informationen“ offen gelegt würden. „Die Unternehmen können sich so hinter der Formulierung im Gesetz verstecken und damit Transparenz verhindern“, kritisierte Ulrike Höfgen von den Grünen. Im Fall von vergammelten Fleischlieferungen würde das VIG Firmen schützen, die die eklige Ware an die Kundschaft bringen. Denn Namen dürfen erst genannt werden, wenn diese rechtskräftig verurteilt sind. Doch das kann Jahre dauern.
Ähnlich wie in anderen europäischen Ländern üblich, fordern deutsche Verbraucherschützer das Recht, beanstandete Firmen schon bei Ermittlungen öffentlich beim Namen zu nennen. „Auch die Ergebnisse von Lebensmittelkontrollen sollten im Internet veröffentlicht werden“, sagt Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe.
Auf der anderen Seite könnten haltlose Beschuldigungen einzelne Betriebe erheblich schädigen. „Bei uns gilt das Prinzip der Unschuldsvermutung“, sagt Gert Hahne vom niedersächsischen Landwirtschaftsministerium. Er glaubt nicht, dass mit einer schnellen Veröffentlichung verdächtiger Firmen der Schutz der Verbraucher verbessert würde. „Wir sind gegen Verdächtigungen auf bloßen Zuruf“, sagt Hahne und gibt ein Beispiel: „Bayern hat uns im neusten Skandal drei niedersächsische Abnehmer des Gammelfleisches genannt.“ Überprüfungen hätten gezeigt, dass keiner davon tatsächlich beliefert wurde. Seine Kollegen aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sehen das anders. Die beiden Länder haben gestern in den zuständigen Fachausschuss einen Entschließungsantrag eingebracht, der die Informationsrechte der Verbraucher verbessern soll. „Wir wollen die Hürden senken, die für die Veröffentlichung von Firmennamen nötig sind“, sagte Günter Hälsig vom brandenburgischen Landwirtschaftsministerium zur taz. Doch nur wenn der Bundesrat das VIG am 22. September mehrheitlich ablehnt, gibt es noch Chancen für Nachbesserungen. Dann müsste es im Vermittlungsausschuss neu verhandelt werden.