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Archiv-Artikel

Independent in Niedersachsen

Bis zum Sonntag findet in Oldenburg das 13. Filmfestival statt

Auch die regionalen Festivals haben so etwas wie Persönlichkeiten. So wirkt das Filmfest Emden wie eine gemütliche Tante mit einem Faible für alles Britische, jenes von Braunschweig wie ein Studienrat, der voller Fernweh versucht, die Welt in seine Heimatstadt zu holen und das Media Art Festival in Osnabrück wie ein alt gewordener Avantgardekünstler in der Provinz. In dieser eher gesetzten Runde ist das Filmfestival in Oldenburg der wilde Teenager, der gerne Partys feiert, und im Kino eher den Kitzel des gewagten Experiments als das ausgereifte Meisterwerk sucht. Jetzt im 13. Jahr ist das Festival zum Glück immer noch nicht erwachsen geworden. Die chaotischen Jahre, in denen auch die Organisation unter einer eher ärgerlichen Nachlässigkeit litt,sind wohl endgültig überwunden, doch die Filmauswahl ist zum Glück immer noch sehr abenteuerlich. Die beiden Säule des Festivals sind dabei das unabhängige Kino aus Amerika und der junge deutsche Film. Junge amerikanische Regisseure stellen hier gerne ihre Filme vor. Es gibt inzwischen Stammgäste, die immer wieder kommen, wie die Schauspieler Seymour Cassel sowie Matthew Modine, und zu solch einem entwickelt sich auch der Spross der Hollywood-Dynastie Christopher Coppola, der nun schon im dritten Jahr nacheinander nach Oldenburg kommt und diesmal in der Jury für den „German Independence Award“ sitzt.

Für diesen Preis, der mit 5.000 Euro dotiert wird, sind vier Filme von ganz jungen RegisseurInnen nominiert, die in der Independent Reihe laufen. Dort kann man auch sonst erfahrungsgemäß die spannendsten Entdeckungen machen. So erlebt die britische Beziehungskomödie „January 2nd“ hier ihre Weltpremiere, in „The Guatemalan Handshake“ von Todd Rohal wird die Welt von einem 10-jährigen Mädchen erklärt und bei „Beer League“ von Frank Sebatiano spielt auch der Festivalliebling Seymour Cassel wieder mit. Das Festival feiert konsequent die unangepassten und störrischen Filmemacher. So ist die Retrospektive Jerry Schatzberg gewidmet, einem Rebellen des New Hollywoods der frühen 70er Jahre, der in dem Drogendrama „Panic in Needle Park“ Al Pacino eine seiner ersten Hauptrollen gab. Eine ähnliche Funktion hatte Peter Fleischmann im jungen deutschen Kino dieser Jahre, und auch er wird mit einem Tribut geehrt, in dem auch seine Dokumentation „Herbst der Gammler“ aus dem Jahr 1968 gezeigt wird, in der er über eine länger Zeit hinweg eine Gruppe von „Langhaarigen“ beobachtete.

Für die ganz schrägen Genrefilme gibt es wieder eine „Midnite Xpress“ genannte Spätschiene, deren Filme solch vielversprechende Titel wie „Tokyo Zombie“ oder „The Man with the Screaming Brain“ haben. Typisch für die eigentümliche Stellung des Filmfestivals in Oldenburg ist, dass es zwar inzwischen so arriviert ist, dass sogar das Staatstheater mit ihm kooperiert, indem es sich für eine Filmfest-Nacht öffnet, dort dann aber mit „Holly“ von Guy Moshe ein unbequemer Film über Kinderprostitution in Kambodscha gezeigt wird, mit dem ganz gewiss keine Rücksicht auf die feine geladene Stadtprominenz genommen wird. Inzwischen hat Oldenburg auch international solch einen guten Ruf, dass gleich drei inzwischen renommierte Filmemacher aus der Independent-Szene dort ihre neuen Filme zeigen: Larry Clarks Studie über junge Latinos in L. A. „Wassup Rockers“ und Richard Linklaters Adaption eines Romans von Philip K. Dick „A Scanner Darly“ mit Keanu Reeves (siehe Foto) und Winona Ryder sind zu sehen, und Darren Aronofskys „The Fountain“ ist immerhin erst vor wenigen Tagen spektakulär in Venedig durchgefallen.Wilfried Hippen