Auf Wohnungssuche (3) : Privatsarrazinismus
Der Südstern stand hell über der Wohnung, die von vorn und hinten Licht bekam. Ich hätte sie gern genommen. Es war die erste, die ich beschaute, sie hatte Charme, sie befand sich ganz oben, aber ich konnte nicht. Vielleicht war sie zu abgerockt, schrie zu sehr nach Arbeit, nach Investition. Besonders laut schrie der Fußboden. Die ausgehenden siebziger Jahre waren furchtbar. Alles war heruntergekommen in dieser Wohnung, was nicht nur an der Filmproduktionsfirma gelegen haben muss, die hier vorher war.
Unten im Hof, sah ich vom Schlafzimmer aus, war eine Autowerkstatt. Die angeblich keinen Lärm machte. Ebenso der Getränkemarkt nach vorne raus. Aber diese Versprechen kennt man ja. Was auch schrie, war die Reling. Die Gitter am Balkon, aber man hätte sie nur in einer bestimmten Farbe streichen dürfen. Warum war ich eigentlich gleich bei der ersten Wohnung so weit gekommen? Wieso hatte ich das Gefühl, die nette Ostdeutsche, die hier die Maklerin war, hätte sich am liebsten noch auf mein Gesicht gesetzt, damit ich die Wohnung auch ja nehme?
Mit mir hatte ein junger Mann die Wohnung betreten, er schien sehr interessiert. Dann verstrickte er sich in eine Diskussion über die Schufa. Klar, die Schufa war ein Machtmittel des Bösen. Aber nichts, was man mit einer Maklerin diskutieren sollte. Die Maklerin war froh, als er verschwand, und ich weiß nicht, ob das nicht auch an seiner Hautfarbe gelegen haben könnte. Er konnte ganz gut Deutsch. Was wohl auf viele andere Mitbewerbende nicht zutraf, wie sie sagte. Ich schaute die Maklerin an und überlegte. Wäre die Wohnung jetzt wirklich ideal und nicht nur in Ansätzen, wäre mir das alles egal gewesen. Ich meine, ihr Privatsarrazinismus. Diese Migrationsfeindlichkeit. So aber dachte ich, soll sie mal sehen, ob sie einen guten Deutschen findet, der die Wohnung hier nimmt. Ich werde es nicht sein. RENÉ HAMANN